Babygeschrei - für manche Ohren süße Musik. Besonders für Paare, denen die Natur den Genuss eigener Kinder versagt. Allein in Deutschland sind ca. 2 Millionen Paare ungewollt kinderlos - Tendenz steigend. Verfahren wie IVF oder ICSI versprechen da eine erfolgreiche Behandlung. Über 100.000 Kinder sind bislang in Deutschland so zur Welt gekommen.
"Bei jeder zehnten Geburt sind mittlerweile medizinische Maßnahmen im Vorfeld notwenig", berichtet Dr. Georg Wilke vom Kinderwunschzentrum in Hildesheim. Und die Tendenz ist steigend, denn immer mehr Paare entscheiden sich erst im fortgeschrittenen Alter für Kinder - mit dem Nachteil, dass das Kinderkriegen sehr viel schwieriger wird. Es gilt jedoch die Grundregel, wer längere Zeit erfolglos für den Nachwuchs "trainiert", der sollte sich an den Arzt seines Vertrauens wenden. Kinderlosigkeit ist kein unabwendbares Schicksal: Die Möglichkeiten, einem Paar doch noch zu einem Kind zu verhelfen, sind in den letzten Jahren dank der Fortschritte der Reproduktionsmedizin wesentlich besser geworden. Nach Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten kann bei rund 60 Prozent der Paare, die wegen ungewollter Kinderlosigkeit einen Arzt aufsuchen, der Kinderwunsch erfüllt werden.
Breite Palette an Verfahren für Frau und Mann
Immerhin 28 Jahre sind vergangen, seitdem mit Louise Brown das erste "Retorten-Baby" geboren wurde. Gelang es den Forschern damals, Ei- und Samenzelle in vitro zur Befruchtung zu bringen und nach dem Embryotransfer eine intakte intrauterine Schwangerschaft zu erzielen, so kann heute auf eine breite Palette an Verfahren zurückgegriffen werden. Die tragen dem Umstand Rechnung, dass ungewollte Kinderlosigkeit bei weitem nicht nur Frauensache ist. Mit jeweils 30 bis 40 Prozent sind die Ursachen bei Mann und Frau gleich verteilt. Bei etwa 15 bis 30 Prozent der Paare kann es sogar an beiden Partnern liegen. Bei nur fünf bis zehn Prozent der Paare ist keine organische Ursache zu finden.
Ankurbelung der Hormonproduktion
Zunächst muss durch eine angemessene Diagnostik die Sterilitätsursache gefunden werden. Bei einem Ungleichgewicht der Hormone, einer Störung der Eizellreifung und/oder des Eisprungs bzw. der hormonellen Hodenfunktion wird versucht, durch eine Hormontherapie zum Ziel - sprich Baby - zu kommen. Reicht die Hormonbehandlung nicht aus, so muss der Samen per Kappeninsemination, Intrazervikaler Insemination (ICI) oder - mit meist höheren Erfolgsraten - per intrauteriner oder intratubarer Insemination (IUI/ITI) direkt an Ort und Stelle gebracht werden. In Deutschland dürfen neben den Spermien des Partners (homologe Insemination) unter bestimmten Voraussetzungen auch Fremdsamen genutzt werden (heterologe I.).
Die Befruchtung außerhalb des Körpers wird ebenfalls grundsätzlich durch eine Stimulation der Eizellreifung über die Gabe von Fruchtbarkeitshormonen am Anfang eingeleitet. Wenn die Eileiter verklebt sind, hilft die Insemination nicht; in diesen Fällen werden Eizellen aus den Eierstöcken entnommen, im Reagenzglas mit Spermien vermischt und der vier- bis achtzellige Embryo dann in die Gebärmutter zurückgegeben. Voraussetzung für eine IVF ist allerdings, dass genügend bewegliche Spermien vorhanden sind. Sinkt die Zahl der qualitativ guten Spermien, so kann ICSI genutzt werden. Tritt sogar eine Azoospermie auf - also das völlige Fehlen von Spermien im Ejakulat - dann werden die Spermien durch die als MESA oder TESE bezeichneten operativen Eingriffe aus dem Hoden oder Nebenhoden entnommen. In den letzten Jahren wurden die Verfahren aus dem Reagenzglas immer weiter verbessert, so dass in Deutschland gute Erfolgsraten erzielt werden: Die jüngste EU-Statistik der Reproduktionsmedizinischen Gesellschaften weist für Deutschland eine Schwangerschaftsrate von 28,9% pro Transfer bei IVF-Zyklen aus (ICSI: 28,2%).
IVM: Neues Verfahren in der Erprobung
Vor rund 1,5 Jahren kam aus Lübeck die stolze Meldung zur Geburt eines Babys. Das besondere daran war nicht die Geburt sondern die Zeugung durch eine neue Methode namens IVM. Professor Klaus Diedrich, Gynäkologe und Spezialist für Reproduktionsmedizin erläuterte: "Bei der In Vitro Maturation (IVM) werden Eizellen im natürlichen Zyklus nach kurzer und niedrig dosierter Hormongabe im noch unreifen Stadium gewonnen und über wenige Stunden außerhalb des Körpers gereift, während bei der konventionellen IVF-Therapie das Heranreifen von Eizellen im Körper der Frau durch eine hoch dosierte, oft nebenwirkungsreiche und kostenintensive Hormongabe stimuliert wird." Allerdings befindet sich die Methode noch in der Erprobung und ist daher Frauen im höheren Alter (>37 Jahre), die durch ein PCO-Syndrom trotz angepasster Stimulation zu einem Überstimulationssyndrom neigen, zu empfehlen.
Neue Verfahren zur Verbesserung der Schwangerschaftsraten?
In letzter Zeit wird häufig über genetische Diagnoseverfahren berichtet, die in der Lage sein sollen, die Schwangerschaftsraten bei assistierter Fortpflanzung deutlich zu verbessern. Meist wird dabei über die so genannte Präimplantations-Diagnostik (PID) bzw. in Deutschland über Polkörperdiagnostik gesprochen. Zur PID im Ausland gehört normalerweise die genetische Untersuchung der beiden Polkörper einer reifen Eizelle sowie die Analyse von 1 bis 2 embryonalen Zellen am Tag 3 nach einer ICSI-Befruchtung. In Deutschland ist PID aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (Embryonenschutzgesetz) nur in Ansätzen und sehr eingeschränkt als Polkörperdiagnostik an Eizellen durchführbar. Richtig ist, dass genetische Veränderungen des Embryos eine wesentliche Ursache für die noch immer unbefriedigenden Erfolgsraten bei IVF und ICSI sind. Allerdings wird angezweifelt, ob aus den Befunden der PID wirklich genaue Aussagen über den Behandlungsausgang oder eine zu erwartende Schwangerschaft abgeleitet werden können. Im Deutschen Ärzteblatt setzt sich Gisela Klinkhammer kritisch mit dieser Methode auseinander. Befürworter von PID wie Diedrich machen dagegen geltend, dass PID eine mögliche Hilfe für Risikopaare und Alternative zur pränatalen Diagnostik ist. Wir werden sehen, ob sich die Befürworter oder die Gegner dieser Methode durchsetzen. Interessant wird das Gebiet der Gendiagnostik in Verbindung mit der künstlichen Befruchtung in den nächsten Jahren zweifellos.