Jährlich erkranken über 700 Millionen Menschen an von Stechmücken übertragenen Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber. Ein britisches Unternehmen hat einen Impfstoff entwickelt, der vor all diesen Krankheiten schützen soll. Getestet wird er gerade in einer Phase-1-Studie.
Eines der gefährlichsten Tiere ist nach wie vor die Stechmücke. Denn im Speichel, den sie beim Stich in das menschliche Blut injiziert, befindet sich nicht nur eine Vielzahl von Proteinen, die dem Insekt die Blutmahlzeit überhaupt erst ermöglichen – manchmal gelangen so auch gefährliche Krankheitserreger in den menschlichen Organismus. Allein an Malaria, die von der Anopheles-Mücke übertragen wird, erkranken jährlich mehr als 200 Millionen Menschen. Etwa 600.000 versterben jedes Jahr. Neben den einzelligen Malariaerregern, den Plasmodien, können Stechmücken auch Arboviren übertragen. Zu dieser Gruppe von Viren zählen unter anderem das Zika-, Gelbfieber- sowie das Dengue-Virus. Ein Impfstoff mit dem Namen AGS-v, entwickelt von dem englischen Pharmaunternehmen SEEK, soll nun gegen all diese Erkrankungen immun machen. Und das Pharmaunternehemen geht noch einen Schritt weiter: Mücken, die einen geimpften Menschen stechen, sollen entweder jung sterben oder sich nicht mehr fortpflanzen können. Von Insekten übertragene Krankheiten © NIAID, flickr
Normalerweise enthalten Impfstoffe, die Menschen immun gegen Malaria und Co. machen sollen, abgeschwächte oder abgetötete Erreger, Proteine oder Bruchstücke von Nukleinsäuren. Diese werden injiziert und führen dazu, dass die geimpfte Person immun gegen den Erreger einer bestimmten Erkrankung wird. Allerdings haben Impfstoffe gegen von Stechmücken übertragene Krankheiten bis heute nicht die benötigte Wirksamkeit. Der SEEK-Impfstoff funktioniert anders: Der Speichel der Stechmücke enthält viele verschiedene Proteine. Die Funktionsweise jedes einzelnen Eiweiß-Moleküls ist bis heute unbekannt. Sie ermöglichen es jedoch dem Insekt, das menschliche Blut zu trinken, indem sie die Blutgerinnung verhindern und Schmerzsignale der Beute verändern. Das Pharmaunternehmen identifizierte nun vier Proteine, die normalerweise in den Speicheldrüsen der Stechmücken enthalten sind, und stellten diese synthetisch her. Werden diese nun Menschen verabreicht, verursachen die Eiweiß-Moleküle eine Art allergische Antwort. Sobald nun ein Insekt diese Person sticht und ihren Speichel in den menschlichen Organismus injiziert, reagiert das Immunsystem wie bei einer Allergie – und tötet dabei die Pathogene ab. Das Pharmaunternehmen brauchte für die Entwicklung dieses Impstoffes etwa zehn Jahre. Nun startete das Unternehmen zusammen mit dem amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Disease (NIAID)[Pressemitteilung] eine kleine Phase-1-Studie. Frühere Forschungsergebnisse Die Idee, einen Impfstoff gegen den Speichel der Stechmücke zu entwickeln, ist nichts Neues. Bereits 2006 erschien in der Fachzeitschrift Parasite Immunologie [Paywall] ein Review, das immunmodulierende Faktoren im Speichel von Gliederfüßer und deren Potenzial als neue Targets für Impfstoffe untersuchte. Drei Jahre später, im Jahr 2009, stellten amerikanische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift PLOS Pathogens einen Impfstoff vor, der Antigene gegen den Speichel der Sandmücke enthielt. Diese Parasiten sind deutlich kleiner als Stechmücken und können diverse Leishmaniosen übertragen. Wurden Hunde mit dem Vakzin geimpft, stimulierte dies die Lymphozyten, die dann auch den Erreger Leishmania infantum abtötete. Doch nicht immer sind Impfstoffe gegen Speichelproteine wirksam. 2010 beispielsweise hatten Vanderberg und Team von der New York University School of Medicine einen Impfstoff mit Speichel aus der Stechmücke entwickelt. Dieser sollte Mäuse gegen Malaria immunisieren, allerdings konnten die Wissenschaftler keinen Einfluss auf die Übertragung und Infektiosität feststellen. Auch eine Forschergruppe um Carol Blair entwickelte einen Impfstoff auf Basis von Proteinen aus dem Mückenspeichel, der Mäuse vor dem West-Nil-Fieber schützen sollte – jedoch führte dieser Impfstoff dazu, dass sich die Pathogenität des Viruses erhöhte. Ein Grund hierfür könnte, laut Clive McKimmie von der University of Leeds, daran liegen, dass der Entzündungsprozess in der Haut erhöht und dadurch die Erkrankung verschlimmert wurde. Die Forscher hatten das Semliki-Forest-Virus, ein Verwandter des Chikungunya-Virus, untersucht und festgestellt, dass es sehr viel gefährlicher ist, wenn es mit dem Insektenspeichel in den Organismus gelangt. Grund hierfür sei, dass der Speichel eine bestimmte Immunantwort stimuliere, bei der Makrophagen zu der Einstichstelle herbeieilen. Diese werden dann von dem Virus infiziert und gelangen so in den restlichen Organismus.
Doch diese Probleme scheint der Impfstoff von SEEK nicht zu verursachen. Dieser Impfstoff wurde bereits in verschiedenen Tierversuchen an Mäusen, Ratten und Hunden getestet. Die Ergebnisse seien laut dem CEO von SEEK, Gregory Stoloff, vielversprechend gewesen. Allerdings wurden die Studien nicht publiziert. Dennoch haben die Tests anscheinend den Vorgaben der NIAID genügt, um eine klinische Studie mit 60 Teilnehmern zu starten. Diese Probanden werden einer von drei Gruppen zugeordnet. Jeder Teilnehmer wird zwei Injektionen in einem zeitlichen Abstand von 21 Tagen erhalten – wobei der Placebo-Gruppe steriles Wasser, der AGS-v-Gruppe der SEEK-Impfstoff und der dritten Gruppe der Impfstoff mit einem Hilfsstoff verabreicht werden wird. Dieser Hilfsstoff ist eine Öl- oder Wassermixtur, die gewöhnlich in Impfstoffen verwendet wird, um die Immunantwort zu verbessern. Weder die Wissenschaftler noch die Teilnehmer wissen, wer welcher Gruppe angehört. Zwischen den Impfungen und zweimal nach der zweiten Impfung wird den Teilnehmern Blut abgenommen und auf Antikörper untersucht werden. Zudem müssen sich die Probanden von etwa fünf bis zehn Mücken mit dem Namen Aedes aegypti stechen lassen. Diese Mücken werden anschließend beobachtet, um festzustellen, ob sich ihr Lebenszyklus verändert
„Mücken verursachen mehr menschliche Krankheiten und Tod als irgendein anderes Tier“, so Anthony Fauci, Direktor der NIAID. „Ein einziger Impfstoff, der vor allen durch Stechmücken übertragene Krankheiten schützt, ist ein neuartiges Konzept, das – sollte es sich als erfolgreich erweisen – ein enormer Fortschritt in der Volksgesundheit wäre.“ Allerdings werden in der aktuellen Phase-1-Studie erst einmal nur die Sicherheit des Wirkstoffes und die Immunreaktion beurteilt. Geplant ist, dass die Studie bis Sommer 2018 läuft. Und nur wenn die erhaltenen Ergebnisse vielversprechend sind, werden weitere Studien zur Wirksamkeit folgen. Offen bleibt bis dahin, wann und ob überhaupt der SEEK-Impfstoff zugelassen wird.