Kardiologen tun es schon lange. Pulmonologen ziehen jetzt nach. Um Patienten mit schwerem Lungenemphysem zu helfen, schießen US-Lungenärzte in einer großen Studie mit Hilfe eines Bronchoskops kleinste Röhrchen in die Lungen ihrer Klienten - in der Hoffnung auf sehr viel mehr Luft.
Für Patienten mit generalisiertem Lungenemphysem ist das Leben ein ständiger Kampf. Selbst bei kleinsten körperlichen Anstrengungen wird die Luft knapp. Nur rasche, flache Atemzüge halten den Sauerstoff- und den Kohlendioxidhaushalt mit Mühe aufrecht. Bei tiefem Luftholen macht die Lunge im wahrsten Sinne des Wortes zu. "Für diese Patienten, die um jeden Atemzug kämpfen, gibt es bisher kaum Behandlungsmöglichkeiten", betont Dr. John Kucharczuk, Thoraxchirurg am Lungenzentrum der Medizinischen Hochschule der Universität von Pennsylvania in den USA. Gegen die häufig durch Rauchen verursachte Kombination aus Zerstörung des Lungengewebes und durch kollabierende Atemwege verursachte Ventilationsstörungen ist kaum ein Kraut gewachsen.
Klimaanlagen für zerstörte Lungen
Vor allem zwei Optionen stehen den Betroffenen offen, wenn alles andere nicht mehr hilft: Die Lungenteilresektion kann die Belüftung in den nicht resezierten Lungenarealen verbessern. Bei Patienten mit generalisiertem Lungenemphysem ist das aber schwierig, weil alle Lungenlappen ähnlich betroffen sind. Der letzte Ausweg ist dann oft nur noch die Lungentransplantation. Kucharczuk und seine Kollegen untersuchen jetzt einen ganz neuen Ansatz, bei dem den Ventilationsstörungen der Emphysematiker minimalinvasiv zu Leibe gerückt wird. Mit Hilfe von fingernagelgroßen Stents soll in Lungenarealen, in denen die Luft durch kollabierende Luftwege "gefangen gehalten" wird, wieder eine etwas normalere Luftzirkulation erreicht werden. "Dieses Verfahren könnte wirklich revolutionär sein. Es handelt sich um den einzigen im Moment untersuchten Ansatz, der spezifisch auf jene Patienten mit generalisiertem Emphysem zielt, also nicht nur in den oberen Abschnitten der Lunge. Damit könnte diese Technik jenen helfen, die nicht von Operationen profitieren, bei denen das Lungenvolumen verringert wird", unterstreicht Dr. Daniel Sterman. Der interventionelle Pulmonologe leitet die EASE-Studie, in der das neue Verfahren bei Emphysempatienten untersucht wird. EASE steht für "Exhale Airway Stents for Emphysema". Die Studie ist an 45 Zentren angesiedelt und sehr aufwändig gemacht. 450 Teilnehmer unterziehen sich zunächst in einer Lungenfachklinik einer sechs- bis zehnwöchigen Rehabilitationsmaßnahme, um ähnliche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Sie werden danach in zwei Gruppen randomisiert, wobei jene Emphysempatienten, die keine Stents bekommen, dennoch eine so genannte Sham-Bronchoskopie unter Anästhesie erhalten.
Wenn Blut pulsiert, dann Finger weg!
Technisch handelt es sich um einen relativ heroischen Eingriff, der im Web auch als Animation zur Verfügung steht. Insgesamt werden bis zu sechs Stents platziert, drei in jedem Lungenflügel. Um den richtigen Ort für die Implantation zu finden, wird bronchoskopisch per Dopplersonde sicher gestellt, dass am Ort der geplanten Implantation keine größeren Blutgefäße sind. Erst danach wird mit einer Spezialnadel ein neuer Luftweg geschaffen, der mit einem Stent versehen wird, um ihn offen zu halten. Die Hoffnung ist, dass auf diese Weise einige wenige neue, nicht-obstruktive Atemwege entstehen, die es bis dahin nicht funktionalen Lungenabschnitten erlauben, wieder am regulären Gasaustausch teilzunehmen. Der Durchmesser dieser Röhrchen, die von dem US-Unternehmen Broncus Technologies unter dem Namen "Exhale Drug-Eluting Stent" hergestellt werden, liegt bei einigen Millimetern. Ähnlich wie einige der aus der Kardiologie bekannten Stents sind sie mit dem Chemotherapeutikum Paclitaxel beschichtet. Damit soll verhindert werden, dass es zu Gewebeneubildungen kommt, die das Lumen des Stents rasch wieder verschließen könnten. Details zu Produkt und EASE-Studie werden auf der Jahrestagung der American Association for Thoracic Surgery Anfang Mai vorgestellt.