Mit der Übernahme von DocMorris bringt sich Europas größter Pharmahändler Celesio in Position für das Zeitalter der Apothekenketten. Die organisierte Apothekerschaft reagiert hoch emotional. Doch die genaue Bedeutung des Coups ist noch offen.
Rückblickend scheint es so, als habe die Bundesvereinigung der Apothekerverbände ABDA Anfang des Jahres ein wenig zu lässig reagiert, als die niederländische Internetapotheke DocMorris begann, mit Zeitungsanzeigen Lizenzpartner zu suchen, die bereit wären, sich unter Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit im Rahmen einer für die Apotheke kostenpflichtigen Markenpartnerschaft in "DocMorris-Apotheke" umzubenennen. "Nachdem klar ist, dass der Versandhandel nicht den erhofften Gewinn abwirft, sucht DocMorris offensichtlich nach einem anderen Betätigungsfeld", hieß es damals in einer ABDA-Stellungnahme lakonisch und etwas schadenfroh.
Schimpf und Schande über Stuttgart!
Ein Vierteljahr später hört sich das ganz anders an. Als Europas größter Pharmahändler, die Stuttgarter Celesio AG, die in Deutschland als Pharmagroßhändler Gehe agiert, in der vergangenen Woche die Übernahme von DocMorris bekannt gab, schrie die ABDA Zeter und Mordio: "Die Maske ist gefallen. Die Celesio AG positioniert sich offen und aktiv gegen die eigenverantwortete, heilberuflich ausgerichtete Apotheke", polterte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf, und weiter: "Die Celesio AG stellt sich damit in Widerspruch zu den Zielen der unabhängigen Apotheker, die weiterhin juristisch und politisch dafür eintreten, Patienten frei von den Interessen mächtiger Kapitalgeber zu beraten". In Anbetracht der Tatsache, dass eigentlich noch gar nichts passiert ist, ist diese Tirade bemerkenswert. Nüchtern betrachtet wechselt DocMorris aus dem Besitz dreier in Paris, Frankfurt und London ansässiger Kapitalgesellschaften in den einer anderen, eben Celesio. Damit bekommt ein Pharmahändler die Kontrolle über einen Anbieter, der in Deutschland gerade relativ erfolgreich eine Kette von Markenpartnerschaften aufbaut. Das ist nicht grundsätzlich neu. Andere Pharmagroßhändler tun das auch, ohne dass hierzu entsprechende Stellungnahmen aus Berlin bekannt wären. So hat das Unternehmen Anzag schon länger mit Vivesco eine eigene Marke entwickelt, die von 1300 Apotheken genutzt wird. Doch es gibt drei Unterschiede: Der erste ist, dass das Unternehmen Celesio nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass es eine Liberalisierung des deutschen Apothekenmarktes in Richtung Apothekenketten erwartet, und dass es dabei sein möchte, wenn es so weit ist. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel soll der Celesio-Chef Fritz Oesterle die Bundeskanzlerin sogar schriftlich um eine gesetzlich geregelte Liberalisierung des deutschen Apothekenmarkts gebeten haben, bevor dies demnächst der Europäische Gerichtshof tut. Der zweite Unterschied: Celesio ist im Ausland als Betreiber von Apothekenketten eine etablierte und anerkannt erfolgreiche Größe. Der dritte Unterschied schließlich heißt DocMorris.
Ein Spiel mit vielen Unbekannten
Vor DocMorris-Chef Ralf Däinghaus, dem Meister der kalkulierten Provokation, hat die organisierte Apothekerschaft mittlerweile einen Heidenrespekt. Dem Mann, dessen Anwälte mehr oder weniger im Alleingang den Versandhandel mit Arzneimitteln nach Deutschland brachten, traut man auch zu, erfolgreich eine Apothekenkette zu etablieren, mit einem Schwergewicht wie Celesio im Rücken umso mehr. Da macht es nichts aus, dass es gar nicht so leicht sein dürfte, ein Markenpartnerschaftskonzept in eine Apothekenkette zu verwandeln, denn die Partner werden mitreden dürfen und wollen. Wird der Name DocMorris dereinst sowohl für ein Markenpartnerschaftskonzept als auch für eine Apothekenkette stehen? Schwer vorstellbar. Oder ist DocMorris mit seinen in Zukunft 500 Partnerapotheken für Celesio nur eine Art Rückversicherung, wenn das mit der Liberalisierung des deutschen Markts doch nicht ganz so geradlinig abläuft, wie erhofft?
Schwere Zeiten für Internetversender
Kaum diskutiert wurde bisher interessanterweise die Bedeutung der Celesio-Übernahme von DocMorris für jenen Sektor des pharmazeutischen Markts, der DocMorris groß und bekannt gemacht hat, den Internetversandhandel. Zwar beeilte sich DocMorris zu versichern, dass der Versandhandel den Kunden auch in Zukunft erhalten bleiben werde. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser Vertriebsweg kommerziell gesehen nicht gehalten hat, was sich viele von ihm versprochen haben. Dass der unbestrittene Pionier auf diesem Gebiet jetzt den Schwerpunkt anders setzt, wird viele aufhorchen lassen. Tatsächlich haben vor allem die Krankenkassen ihren Versicherten den Versandhandel bisher nicht gerade intensiv nahe gebracht, von Ausnahmen wie der Gmündener Ersatzkasse abgesehen. Sollte die Entwicklung in Deutschland wirklich in Richtung Apothekenketten gehen, dann dürfte das Internet für die Krankenkassen tendenziell noch uninteressanter werden, weil dann mit den Ketten plötzlich andere Partner von überregionaler Reichweite zur Verfügung stünden. Reine Versender gehen dann harten Zeiten entgegen.