Sonne, Wärme - und dennoch müde. Wer seine Patienten gegen die alljährliche Frühjahrsmüdigkeit rüsten möchte, sollte sich auf die neusten Erkenntnisse der Medizin stützen: Bewegung und eine trickreiche Ernährung verhelfen dem Körper zum Siegeszug über die bekannte Hormonumstellung nach dem Winterschlaf des Organismus.
Für Meteorologen war der April ein Rekordmonat, noch nie seit 1901 konnten Menschen so viel Sonne und Wärme zu dieser Zeit tanken. Genutzt hat es indes nur wenigen. Schlappheit statt Frühlingsgefühle, Kopfschmerzen statt Liebeslust - viele Menschen würden gerne anders wollen, fallen aber ihren eigenen Hormonen zum Opfer.
Tatsächlich ist das Phänomen der Frühjahrsmüdigkeit nach wie vor ein Rätsel der Medizin. Zwar wissen Forscher und Ärzte, dass Abgeschlagenheit, Gereiztheit und Kreislaufschwäche zu den häufigsten Symptomen dieser Erscheinung gehören. Auch scheint klar, dass die länger werdenden Tage zu einer verstärkten Ausschüttung von Endorphin, Testosteron und Östrogen führen. Ebenfalls kein Geheimnis ist die Tatsache, dass die meisten Menschen über die Wintermonate zu wenig Vitamine, dafür umso mehr Fett und Kalorien zu sich nahmen - wofür sich die Leber nun zur besten Jahreszeit mit einem absoluten Tiefpunkt bedankt. Auch die vermehrte Bildung von Melatonin scheint eine Rolle zu spielen, wie die Landesärztekammer Hessen Ärzten und interessierten Laien erklärt: "Die kurzen Wintertage mit schwachem Sonnenschein regen den Körper zu vermehrter Melatonin-Bildung an, um uns schöne Nächte zu bescheren. Doch zu viel Melatonin im Blut bewirkt, dass wir uns auch tagsüber müde und "nicht richtig in Form" fühlen".
Dieser biochemischen Falle entrinnt der Körper erst dann, wenn die Tage wieder dauerhaft Sonne und damit Licht mit sich bringen: Letzteres aktiviert den Körper zur Produktion von Serotonin - jenes Glückshormon also, dass bei unausreichender Menge zu Depressionen führen kann. Nur: Was kann man gegen das hormonelle Wirrwarr im eigenen Körper tun? Eine ganze Menge, wie die Deutsche Herzstiftung unlängst konstatierte. Bewegung und eine trickreiche Ernährung, so die Empfehlung vieler Mediziner, beamt müde Glieder wieder ins Reich der Aktivität. Soweit die Theorie.
Die Praxi freilich sieht zunächst Schweiß, Willen und Knochenarbeit vor, wie die Fachleute über ihre Empfehlungen zu verstehen geben. So rät die Deutsche Herzstiftung zu Ausdauersportarten wie Fahrrad fahren, Joggen, Nordic Walking oder auch flottes Spaziergehen, "was sich deutlich positiv auf das Herzkreislaufsystem auswirkt".
Messbar sind die Folgen dieser ersten Schritte in Richtung Fitness allemal. Der Fettstoffwechsel verbessert sich, der Blutdruck wird positiv beeinflusst und das angesammelte Übergewicht lässt sich einfacher reduzieren. "Schon mit einer Stunde Jogging pro Woche lässt sich das Risiko für Herzerkrankungen bedeutsam senken", sagt dazu Helmut Gohlke, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung. Grundsätzlich gelte dabei die Regel: "Je mehr Bewegung, desto besser". Optimal sei es daher, sich vier- bis fünfmal in der Woche für etwa eine halbe Stunde zu bewegen.
Doch wer wie ein Besessener auf outdoor-Aktivitäten allein setzt, schwitzt umsonst. Erst die Umstellung der Ernährung garantiert den Siegeszug gegen die Frühjahrsmüdigkeit. "Auf den Speiseplan gehören jetzt frisches Gemüse wie junger Spinat, Blattsalate, Lauch und Frühlingszwiebeln", rät Sabine Voermans, Medizinerin bei der Techniker Krankenkasse. Auch für Vinzenz Mansmann, Naturmediziner an der NaturaMed Vitalclinic in Bad Waldsee, sind die Ernährungssünden der Patienten während der Winterzeit ein Grund für die einsetzende Frühjahrsmüdigkeit. Der Experte rät daher zum Verzehr von Löwenzahn und Löwenzahnsalat, ebenso wie zur verstärkten Aufnahme von Vitamin B und C zur Steigerung der Körperabwehr.
Selbst mehrer Kurzurlaube an der See scheinen zum rundum-Cocktail gegen die Frühjahrsmüdigkeit zu gehören: Sonne und die Jod-haltige Luft bringen die Leber wieder auf Vordermann.