Der Verlust der Kontrolle über die Blasenfunktion ist für Patienten nach einer radikalen Prostatektomie ein realistisches Schreckensszenario. Das Transobturatorband schafft Abhilfe: Es ist für Männer mit einer leichten bis mäßigen Harninkontinenz eine viel versprechende Therapiemöglichkeit.
Harninkontinenz ist ein zentrales Problem der radikalen Prostatektomie: Eine große Gruppe Männer ist nach einer RRP gering bis mäßig inkontinent. In Zahlen ausgedrückt, haben bis zu 30 Prozent der Patienten nach der Operation mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Inkontinenz zu rechnen. Goldstandard der operativen Therapie der männlichen Inkontinenz ist im Moment der artifizielle Sphinkter. Er stellt jedoch bestimmte kognitive und manuelle Mindestanforderungen an den Patienten, ist verschleißanfällig und für den menschlichen Organismus ein Fremdkörper. Die zirkumferente und dauerhafte Urethralkompression garantiert zwar eine hohe Effizienz, sie beruht aber auf dem Prinzip der Obstruktion: Die Harnröhre wird abgeklemmt. Der Preis dafür ist eine unausweichliche Harnröhrenatrophie. "Außerdem ist diese Art der Therapie nur in einer großen Operation durchführbar", erklärt OA. Dr. Peter Rehder von der Neurourologie der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Der künstliche Sphinkter ist idealerweise für jene Männer indiziert, die keine Restfunktion des Sphinkters mehr haben.
Neue Entwicklung gegen Goldstandard
Für jene Männer, die leicht bis mäßig inkontinent sind und nur 2-5 Einlagen pro Tag benötigen, stellt die Operation mit dem artifiziellen Sphinkter in vielen Fällen ein Overtreatment dar. Für sie hat Dr. Peter Rehder gemeinsam mit dem Innsbrucker Urologen OA. Dr. Christian Gozzi das Transobturatorband entwickelt, eine neue effiziente Therapiemöglichkeit der Harninkontinenz, die von American Medical Systems Inc. umgesetzt wurde. Dieses Band, auch Transobturatorschlinge (TOS) genannt, wird in einer minimalinvasiven Operationsmethode umgesetzt und beruht nicht auf einer Obstruktion des Harnröhrenlumens. "Unsere Operationsmethode unterstützt den Schließmuskelapparat", erklärt Rehder. "Bei der radikalen Prostatektomie kommt es zur Hypermobilität der sphinkterischen Harnröhre. Korrigiert man diese, kann man die Kontinenz wieder herstellen." Das Transobturatorband liegt am Schwellkörper der Harnröhre und verursacht eine Innenrotation des proximalen Bulbus parallel zum Lumen der sphinkterischen Harnröhre. Mit seiner Hilfe kann der Schließmuskel das Lumen koaptieren ohne zu obstruieren. Dieses Band liegt hinter der Harnröhre, beziehungsweise retrourethral, statt wie bisher üblich, suburethral. "Wir stellen also mit dem Transobturatorband die normale Anatomie des männlichen Harnapparates wieder her und unterstützen diese Körperfunktion, ohne signifikante Schäden zu verursachen."
Viel versprechende Drei-Jahres-Ergebnisse
Voraussetzung für die Behandlung der Harninkontinenz mit der Transobturatorschlinge ist eine Restfunktion des Schließmuskels. Die Operation wird in Steinschnittlage durchgeführt und dauert 20 - 40 Minuten. Die Patienten erhalten einen Dauerkatheter für 24 - 48 Stunden, der nach der ersten erfolgreichen Blasenentleerung wieder entfernt werden kann. Insgesamt erfordert der Eingriff nur einen kurzen Krankenhausaufenthalt von 3 - 4 Tagen. In Amerika wird die Operation mittlerweile sogar ambulant durchgeführt. Zum ersten Mal haben Rehder und Gozzi im Oktober 2003 an der Universitätsklinik für Urologie und dem Departement für Neurourologie in Innsbruck einen Patienten operiert. Von Januar 2004 - 2006 behandelten sie insgesamt 20 Patienten mit dem Transobturatorband (Prototyp Transobturatorschlinge), seit Februar 2006 bereits 48 Patienten mit der AdVance-Schlinge (Firma AMS). Die Resultate ihrer Arbeit wurden kürzlich im European Urology publiziert. "Unsere Drei-Jahresergebnisse sind viel versprechend", erklärt Rehder: "Mit der Behandlung der Harninkontinenz durch das Transobturatorband erreichten wir eine Kontinenzrate von 80 Prozent bei richtiger Indikation. Diese Patienten brauchen keine Einlagen mehr. Unsere Methode stellt also als neues Verfahren für die Behandlung der Post-Prostatektomie-Inkontinenz ein wirksame Methode dar, die von den Patienten gut akzeptiert wird." Auch im Kostenvergleich schneidet das Transobturatortape perfekt ab: In Österreich kostet die Operation rund 2.800 Euro und ist vergleichbar mit anderen ähnlichen männlichen Inkontinenz-Operationsmethoden.
Multicenter-Studien und Langzeitergebnisse
Weltweit wurden bisher über 400 Transobturatorbänder bei Männern implantiert. In den USA laufen derzeit Multicenter-Studien. Alle bisherigen Ergebnisse sind sehr ermutigend und scheinen auch auf Dauer zu funktionieren. Die einzige Gruppe, bei denen diese Methode nicht überzeugend anschlägt, sind Karzinompatienten mit zusätzlicher Beckenbestrahlung. In diesen Fällen stellt die Gewebsatrophie ein Hindernis dar. "In einem nächsten Schritt müssen wir nun die Ergebnisse der Multicenter-Studien auswerten," so Rehder. "Wir werden die Indikationsstellung optimieren: Wie das genau eine Restfunktion des Schließmuskels definiert werden soll, ist gerade in Ausarbeitung. Was wir unbedingt brauchen, sind Langzeitergebnisse aus kontrollierten Studien." Spannend ist die Tatsache dass diese Methode zum ersten Mal Hypermobilität der Harnröhre als Inkontinenzursache anspricht.