Epilepsien zählen zu den häufigsten Erkrankungen des menschlichen Gehirns: Ihre Prävalenz liegt bei 0.8 Prozent und ist in allen Rassen, Kulturen und sozialen Schichten gleich verteilt. Innsbrucker Wissenschaftler haben jetzt Beweise für die protektive Wirkung von Dynorphinen gefunden. Der Botenstoff könnte damit vor Epilespie schützen.
4 Prozent aller Menschen haben einmal in ihrem Leben an einer Epilepsie gelitten oder sind noch von immer ihr betroffen. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter neu auftreten, das höchste Risiko haben jedoch Kleinkinder. Eine Epilepsie kann Ausdruck unterschiedlicher Krankheitszustände sein, einheitliche Ursachen lassen sich schwer benennen. Die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten einer Epilepsie sind eine mentale Retardation, infantile Zerebralparesen, komplizierte Fieberkrämpfe, Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumen, Infektionen des zentralen Nervensystems, Morbus Alzheimer und Alkoholmissbrauch.
Das Wissen über die Entstehung der Epilepsie hat sich zwar ausgeweitet, die Pathophysiologie der Erkrankung und die Mechanismen, die dazu führen, dass aus einzelnen Krampfanfällen eine Epilepsie entsteht, sind komplex und noch immer unvollständig verstanden. Zur Verhütung epileptischer Anfälle wird als körpereigener Mechanismus die zentral hemmende Wirkung von Neuropeptiden diskutiert. Die Rolle des Botenstoffs Dynorphin war dabei bislang wissenschaftlich umstritten. Nun haben Innsbrucker Pharmakologen im Tiermodell eindeutige Beweise für die antikonvulsive, antiepileptogene und neuroprotektive Wirkung von körpereigenem Dynorphin gefunden.
Die Rolle des Dynorphin
Seit über zwei Jahrzehnten gibt es Hinweise, dass Dynorphin, ein körpereigenes Opioidpepdit, eine wichtige regulatorische Rolle in zahlreichen funktionellen Verschaltungen des Gehirns spielt. Im Einklang mit der Verbreitung von Dynorphin im Vorder- und Mittelhirn beeinflusst es Lernen und Gedächtnis, emotionale Kontrollen und Stressverhalten. Dynorphin, beziehungsweise die Kappa-Rezeptoren , an die der Botenstoff bindet, spielen aber auch in der Sucht, Depression, Schizophrenie, Epilepsie, bipolaren Störungen und einigen weiteren Erkrankungen eine Rolle.
Die meisten Funktionen wurden in pharmakologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen beschrieben, in denen Kappa-Rezeptor spezifische Agonisten und generelle Opioidrezeptor -Antagonisten in Tiermodellen verwendet wurden. "Über die wahre Bedeutung des endogenen Dynorphin wissen wir bis heute jedoch noch wenig", erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Schwarzer vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Die Bedeutung der endogenen Opioide in der Epilepsie wird in der Literatur widersprüchlich beschrieben. Das liegt an der Komplexität des Opioidsystems, denn alle körpereigenen Opioide können mit unterschiedlicher Affinität die klassischen Opioidrezeptoren aktivieren.
Protektive Beweise
"Welcher Rezeptor aktiviert wird, hängt von der Überlappung der Verteilung des Rezeptors und der Freisetzung des Neuropeptids ab", so Schwarzer. "Funktionell spielt es eine große Rolle, ob der aktivierte Rezeptor auf einer inhibitorischen oder excitatorischen Nervenzelle sitzt und diese hemmt oder stimuliert." Aus dieser Komplexität ist es mit systemischer oder lokaler Gabe von rezeptorspezifischen oder generellen Agonisten und Antagonisten nicht möglich, die Funktionen endogenen Dynorphins zu bestimmen. "Wir haben die Möglichkeit diese Fragen in Tieren zu untersuchen, die kein Dynorphin produzieren. An ihnen ist es uns nun gelungen eindeutige Beweise für eine antikonvulsive, antiepileptogene und neuroprotektive Wirkung von körpereigenem Dynorphin in Modellen akuter Anfälle, Epileptogenese und Epilepsie zu erbringen", meint Schwarzer.
Die Tiere wurden in Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Herbert Herzog vom Garvan Institute in Sydney generiert, mit dem die Innsbrucker Pharmakologen eine langjährige Kooperation verbindet. "Unsere Daten unterstützen den Zusammenhang zwischen einer Mutation im menschlichen Dynorphinpromotor, die die Expressionsrate von Prodynorphin reduziert, und der Epilepsieanfälligkeit." Ein Ansatz, der anfallgeplagten Patienten Hoffnung geben könnte.