Ist eine teilweise oder vollständige Entfernung der Gaumenmandeln sinnvoll? Eine Untersuchung des IQWiG zeigte: Bei einer Tonsillotomie kommt es zu weniger Schluck- und Schlafstörungen. Jedoch kann nachwachsendes Gewebe erneute Entzündungen fördern.
Wiederholte akute Entzündungen und Vergrößerungen der Tonsillen betreffen besonders Kinder und Jugendliche. In Deutschland hat sich bisher keine einheitliche Indikationsstellung zum operativen Entfernen der Gaumenmandeln etabliert. Ob eine Tonsillotomie oder Tonsillektomie vorgenommen wird, ist dem jeweiligen Arzt überlassen. Die Operationshäufigkeiten unterscheiden sich regional zeitweise erheblich. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) untersucht, ob die Tonsillotomie Vorteile bietet.
Zu den häufigsten Indikationen einer Tonsillektomie bei Kindern und Jugendlichen zählen die rezidivierende akute Tonsillitis und die Hyperplasie der Tonsillen. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Eingriff traten bei der Tonsillotomie weniger Schmerzen und weniger Schluck- und Schlafstörungen auf als bei der Tonsillektomie. Für den weiteren Verlauf nach der Operation gab es aber keinerlei Hinweise, dass eines der Verfahren einen höheren oder geringeren Nutzen oder Schaden hätte.
In Bezug auf rezidivierende Tonsillitis und HNO-Infektionen fand sich allerdings ein Indiz für einen geringeren Nutzen der Tonsillotomie: Bei fünf von 43 Patienten mit Tonsillen-Hyperplasie, die in der Studie untersucht wurden, traten sechs Jahre nach einer Tonsillotomie erneut Entzündungen am verbliebenen Tonsillengewebe auf. Bei den 48 Studienteilnehmern, bei denen die Tonsillen vollständig entfernt wurden, traten dagegen keine weiteren Entzündungen auf. Weil das Gaumenmandelgewebe bei der Tonsillotomie nur teilweise entfernt wird, besteht ein Risiko für das Nachwachsen und damit auch für das Wiederauftreten von Symptomen. Außerdem könnte ein weiterer Eingriff nötig werden. Mangels hinreichender Daten zu erneuten Operationen nach Tonsillotomien gibt es aber keinen Anhaltspunkt für einen möglichen höheren Nutzen oder Schaden dieses Eingriffs verglichen mit einer Tonsillektomie.
Nur eine von 19 relevanten Studien zur Tonsillotomie gilt als nicht verzerrt, alle anderen 18 Studien liefern nur mäßig verlässliche bis unsichere Ergebnisse. Mögliche Vorteile der Tonsillotomie, zum Beispiel eine geringere Rate postoperativer Komplikationen, u. a. Infektionen und Blutungen, sowie eine schnellere Genesung, werden durch die vorliegenden Studiendaten nicht bestätigt. Bezüglich patientenrelevanter Faktoren wie postoperative Blutungen, Krankenhaus-Aufenthaltsdauer und (erneute) Hospitalisierung sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigten die Studiendaten keinen signifikanten Nutzen oder Schaden der Tonsillotomie im Vergleich zur Tonsillektomie. Mangels Daten zur Mortalität lässt sich auch zu diesem Aspekt keine konkrete Aussage machen. Ob eine konservative Therapie wie „abwartendes Beobachten“ (watchful waiting) sich besser oder schlechter als eine Tonsillotomie eignet, ist unklar, Studien hierzu gibt es noch nicht. Zur aktuellen IQWiG-Auswertung gibt es keine Stellungnahme der DGHNO KHC (Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V). Die aktuelle S2k-Leitlinie 017/024: Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln – Tonsillitis ist noch bis 31.12.2019 gültig. Ergänzend gibt es noch eine Stellungnahme der DGHNO KHC zur Behandlung von Mandelentzündungen. Darin hießt es, die „neue Leitlinie schafft Klarheit“. Originalquelle: Tonsillotomie: kurzfristig weniger Nebenwirkungen, aber erneute Entzündung und OP möglich Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG); Pressemitteilung; 2017