Die Pest ist dank wirkungsvoller Antibiotika in den Industrieländern weitgehend ausgerottet. Jedoch könnten Resistenzgene der Erreger und der Klimawandel Bedingungen für eine Rückkehr verbessern.
Die Tickermeldung vor einigen Wochen ließ nicht nur die Amerikaner erschrecken. "Antimicobial Resistance in Plague: An Emerging Public Health Risk" hieß es in der angesehenen Fachzeitschrift PloS one: Sollte der "Schwarze Tod" genauso wie frühere Influenza-Pandemien zurückkommen und vielleicht Millionen Menschen mit einem qualvollen Tod bedrohen?
Ähnliche Resistenzgene in Fleischproben
Hintergrund der Schlagzeilen war eine Entdeckung der amerikanischen Genetiker um Jaques Ravel vom Institut für Genomforschung in Rockville/Maryland. Sie stützten sich auf 12 Jahre alte Befunde, die eine Antibiotikaresistenz bei einem pesterkrankten Jungen auf Madagaskar festgestellt hatten. Weil aber die Insel im südlichen Afrika fern von den dicht bevölkerten Vereinigten Staaten lag, regte diese Einschränkung der Therapiemöglichkeiten niemanden richtig auf. Jetzt aber verglich die Arbeitsgruppe die DNA-Sequenz der MDR (für multidrug resistance)-Plasmide der Yersinia pestis-Bakterien solchen von Salmonellen und dem Fischbewohner Yersinia ruckeri und stellte eine erschreckende weitgehende Übereinstimmung in der DNA-Sequenz fest. Und nicht nur das. Große Ähnlichkeiten fielen den Gentestern auch mit Darmbakterien aus Fleischproben von Supermärkten quer über den gesamte USA auf.
Bakterien können die kleinen DNA-Ringe mit den Resistenzgenen leicht untereinander austauschen, auch zwischen unterschiedlichen Arten. Antibiotika waren in der amerikanischen Viehzucht bis vor kurzem noch sehr verbreitet. Die entsprechenden Darmbakterien, wie die in dieser Studie untersuchten Salmonellen, Klebsiellen und Escherichia coli entwickelten daher schnell entsprechende Resistenzen. Das alarmierende daran war jedoch der Befund, dass diese Resistenz-Plasmide anscheinend auch eine Reise um die halbe Welt nach Madagaskar antraten, wo sie sich Pestbakterien von einverleibten. Ob Zugvögel wie bei Influenza bei der Ausbreitung mithalfen, ist dabei noch völlig unklar.
Während Elisabeth Carniel vom Pariser Institut Pasteur und Mitautorin des Artikels, in einem solchen Fall ernste Folgen befürchtet, hat ihr Kollege vom Konsiliarlabor für Pestausbrüche in Deutschland weniger Sorgen. Jürgen Heesemann, vom Max-von-Pettenkofer-Institut in München antwortete auf die Nachfrage von DocCheck: "Auch bei multiresistenten Pesterregern können wir mit den vorhandenen Antibiotika noch sehr gut therapieren."
Heißes Frühjahr - mehr Pestfälle
Sorge bereiten den Epidemiologen jedoch nicht nur der Widerstand der Bakterien gegen Antibiotika, sondern auch der Klimawandel, der ihre Ausbreitung begünstigt. Im August letzten Jahres veröffentlichte PNAS eine Untersuchung von Nils Stenseth von der Universität Oslo zur Vermehrung der großen Wüstenrennmaus. In den Steppen Zentralasiens ist sie Hauptüberträger von Yersinia pestis. Per Flohbiss gelangen die Erreger dann auch auf den Menschen und führen zum Ausbruch der Krankheit. Schon 2004 beschrieben Wissenschaftler aus Europa und Kasachstan in Science den direkten Zusammenhang zwischen der Populationsgröße der Mäuse und der Anzahl der Pestfälle. Nun fiel Stenseth eine weiterer wichtiger Faktor auf. Entsprechend den Aufzeichnungen kasachischer Epidemiologen kam es bei einem heißen Frühjahr und einem nassen Sommer zu besonders vielen Fällen. Anhand von Jahresringen alter Bäume konnte sein Team sogar zeigen, dass der Schwarze Tod im 14 Jahrhundert immer dann zuschlug, als entsprechende klimatisch günstige Bedingungen herrschten. Das traf auch für die letzte größere Pestepidemie in diesem Gebiet zu. "Ein Grad Celsius mehr im Frühjahr könnte zu eine 50-prozentigen Vermehrung der Pestbakterien führen", schreibt er in PNAS.
In Europa übernimmt die Hausratte die Rolle der Wüstenrennmaus. "Zur Pestausbreitung", so Jürgen Heesemann " gehören jedoch hohe Hausrattendichten in den Städten, "und die wird es in unserer Wohlstandsgesellschaft mit Stein- und Betonhäusern nicht geben". Möglicherweise, so spekulieren Michael Prentice und Lila Rahaliso kürzlich in einem Lancet-Übersichtsartikel, könnten Biowaffen-Experten daran arbeiten, den Floh als Zwischenwirt auszuschalten, um extrem pathogene Pestbakterien direkt in die Luft zu versprühen. Gleichzeitig arbeiten Mikrobiologen an einem Vakzin gegen den Schwarzen Tod. Jürgen Heesemann berichtet davon: "Die rekombinanten Impfstoffe sind sehr wirksam in Tierversuchen und warten nur noch auf ihre Austestung bei einer Pestepidemie."