Über die letzten Jahre haben sich in der medizinischen Studienlandschaft neue Formen etabliert - Modellstudiengänge. Die Verzahnung von Praxis und Theorie, von Klinik und Vorklinik sind gemeinsames Ziel aller Ansätze.
In Deutschlands medizinischen Fakultäten gehören Unruhe, Umtriebigkeit und latente Unzufriedenheit bereits längere Zeit zum Inventar. Die Studenten und Dozenten wechseln, die grundsätzliche Missstimmung bleibt bestehen. Das Studium der Medizin sei verschult, praxisfern, theoretisch überladen und bereite letztendlich nicht angemessen auf den ärztlichen Beruf vor.
Um dieser Spirale der Unzufriedenheit zu entfliehen, haben eine Reihe von Fakultäten, voran die Berliner Charitè, Modellstudiengänge begründet. Es folgten unter anderem Witten-Herdecke, Bochum, Köln, Aachen und neuerdings auch Hannover mit ihren eigenen, leicht modifizierten Modellvorstellungen. Hamburg-Eppendorf hat den Modellstudiengang hingegen nach Einführung der neuen Approbationsordnung wieder ausgesetzt. In Berlin läuft der Modellstudiengang als Alternative zum Regelstudium, in Köln und Aachen als einzige Form des Medizinstudiums.
Gemeinsamkeiten der Modellstudiengänge
Modellstudiengänge entstehen aus der Not heraus, eine Veränderung herbeiführen zu müssen. Wenn das bestehende Studiensystem nicht mehr zu einer guten Ausbildung führt, muss am Studiensystem geschraubt werden. Daher galt und gilt es, alle Kritikpunkte am bisherigen Studium auszuwerten und Ausschau nach Lösungen zu halten. Viele Lösungsansätze der Modellstudiengänge stammen aus den USA, wo das Studium bereits seit geraumer Zeit sehr praxisorientiert ist.
Essentielle Elemente eines Modellstudienganges sind:
Möglichkeiten der Umsetzung
Die Fakultäten strengen sich an, um diesen neu gesteckten Zielen gerecht zu werden. Das müssen Sie auch, da nach den Studienordnungen der Modellstudiengänge die Ärztliche Vorprüfung (Physikum) nicht mehr erforderlich ist. Studenten eines Modellstudienganges schliessen sich erst im PJ dem regulären Studienverlauf an, müssen dann aber für die Approbation wie alle anderen das Hammerexamen absolvieren.
Seminare im POL-Stil gehören zum Grundrepertoire der Modellstudiengänge, klinische Fertigkeiten wie das Legen von Venenverweilkanülen oder das Setzen von Injektionen werden in Skills Labs erübt und in Prüfungen bewertet, die klinische Medizin wird fächerübergreifend und symptomorientiert gelehrt. Dabei kann man beispielsweise nach Organsystemen gegliedert vorgehen und das Wissen aus den einzelnen Fachgebieten strukturiert vermitteln. So ergeben sich auch Überschneidungen, die aber durchaus erwünscht sind, um Wissen zu festigen und eine Thematik aus mehreren Blickwinkeln zu erschliessen.
Damit der Student auch stets eine Kontrolle über seinen Lernfortschritt hat, werden in regelmäßigen Abständen Progressionstests (o.ä.) oder den Prüfungen im Regelstudium entsprechende Äquivalenzprüfungen durchgeführt.
Fazit mit Fallstricken
In den Broschüren und Beschreibungen hören sich Modellstudiengänge immer sehr gut, fast schon romantisch an, die Umsetzung der Ziele bleibt jedoch, wie schon immer, an die Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden gebunden.
Ein Modellstudiengang schützt also per se nicht vor unmotivierten Dozenten und Professoren. Auf studentischer Seite ist die Entscheidung für einen Modellstudiengang gut abzuwägen. Die neue Art des Medizinstudiums erfordert mehr Eigeninitiative und meistens auch mehr Zeitaufwand. Nebenjobs zur Studienfinanzierung sind da noch schwerer zu erledigen als sonst, ein Studienortwechsel ist durch die andere Prüfungsordnung nicht immer möglich.
Studenten in Modellstudiengängen sollten damit rechnen, dass nicht immer alles auf Anhieb läuft und etabliert ist. Schliesslich geht schon aus der Bezeichnung Modellstudiengang hervor, dass es darum geht, Neues umzusetzen und anderen vorzumachen. Interessanterweise sind Kernpunkte wie das POL und OSCE-Prüfungen auch Bestandteil der neuen Approbationsordnung. Daher müssen sich auch Regelstudiengänger an neue Gepflogenheiten anpassen. Die Modellstudiengänge tragen daher bereits Früchte, Fakultäten mit Modellstudiengang haben bereits vor dem rechtlichen Zwang einer Änderung des Studiums auf die Zeichen der Zeit geachtet und Änderungen in die Wege geleitet.
Alle Beteiligten wollen ein besseres Studium. Bis es jedoch wirklich besser ist, müssen alle miteinander leiden. Jede formale Umstellung kann erst vernünftig bewertet werden, wenn sie in der Praxis angekommen ist. Damit die Modellstudiengänge näher an ihre Ziele kommen, müssen neben der Studien- und Prüfungsordnung vor allem auch die beteiligten Lehrkräfte zu Veränderungen und Kompromissen bereit sein.
Nur unter diesen Bedingungen kann ein Modell zum Erfolg werden, was bei der idealistischen Zielsetzung und dem organisatorischen Eifer der Modellstudiengangsfakultäten innigst zu wünschen bleibt.