Immer mehr Apotheken nutzen den Pillenautomaten "Visavia" von Rowa für die halbautomatische Ausgabe von Medikamenten. Ab Oktober gibt es dazu auch ein Servicecenter, das die Maschinen auf Distanz betreut. Die Politik ist verwirrt.
Apotheken ohne Apotheker? Ganz so ist es nun auch wieder nicht. Aber einem Kunden kann das schon so vorkommen, wenn er des Nachts einmal ein Medikament braucht und dabei auf einen der derzeit 18 in Deutschland installierten Visavia-Automaten stößt. Bei den Maschinen handelt es sich um eine Mischung aus Geldautomat und Bildschirmtelefon. Kunden können entweder ein Rezept einscannen lassen oder aber ein OTC-Präparat oder andere Dinge wie beispielsweise Kondome nach Art eines Web-Shops ordern. Danach wird Geld eingeworfen, und - schwupps - liegt die Ware im Kästchen.
Telemedizin auf apothekisch
Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn hinten dran ein automatisiertes Warenlager hängt. Tausend Kunden hat Hersteller Rowa derzeit nach eigenen Angaben in Deutschland, tausend potenzielle Interessenten für einen Pillenautomaten also. Die Sache ist nicht so Roboter-artig, wie es klingt: Falls es sich um ein rezeptpflichtiges Präparat handelt oder der Kunde aus anderen Gründen Beratungsbedarf hat, meldet sich ein Pharmazeut persönlich und macht die Beratung via Datenleitung. "Bisher werden die meisten Visavia-Systeme von Apothekern im Nachtdienst eingesetzt", sagt Rowa-Geschäftsführer Dirk Wingenter im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter. Bei einfachen Kundenwünschen muss der Apotheker dann nicht extra in den Laden schlurfen, solange der Kunde selbst klarkommt. Jetzt soll das seit drei Jahren als Prototyp existierende System allerdings deutlich aufgewertet werden, und zwar durch ein Service-Center, das rund um die Uhr mit Pharmazeuten besetzt ist. Es wird Ende September auf der Fachmesse Expopharm der Öffentlichkeit vorgestellt. Von diesem Service-Center aus, so die Idee, könnten die Visavia-Automaten auf Distanz betreut werden: "Wir schätzen, dass ein Pharmazeut in den Abendstunden acht bis zehn Automaten betreuen kann, nachts auch mehr", betont Wingenter. Den Notdienst ersetzen soll das nicht. Eher geht es darum, einer Apotheke, die gerade keinen Notdienst hat, die Möglichkeit einer zusätzlichen Serviceleistung zu bieten, damit die Kunden nicht durch die halbe Stadt fahren müssen.
Kalt erwischt: Die Politik.
Dass die Sache gerade jetzt aufs Tablett kommt, hat einen Grund. "Erst seit in Deutschland der Ladenschluss liberalisiert wurde, können Apotheken solche Angebote außerhalb des Notdienstes überhaupt machen", so Wingenter. Aber trotz liberalisiertem Ladenschluss: So ganz davon überzeugt, dass die Automatenabgabe von Arzneimitteln von allen Paragraphen gedeckt ist, sind viele noch nicht. So hat das Bundesgesundheitsministerium die Länder aufgefordert, dem Thema Visavia verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Offensichtlich kann man die Sache in Berlin derzeit noch nicht so richtig einordnen und möchte erstmal abwarten, wie sich die Geräte weiter entwickeln. "Wir begrüßen es, dass die Behörden aktiv werden und sich um eine Klarstellung bemühen", sagt Wingenter ausdrücklich. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit hegt er allerdings nicht: Im OTC-Bereich sei die Sache unproblematisch. Lediglich bei der Einscann-Funktion für Rezepte könnte die Frage auftauchen, wie fälschungssicher das sei. Allerdings: Auch ohne Automaten lassen sich Rezepte heute farbkopieren und damit relativ leicht fälschen. "Unabhängig davon löst sich dieses spezifische Problem spätestens mit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte", so Wingenter. Seitens der Standesvertretungen der Apotheker gibt es bisher keine offiziellen Stellungnahmen. In einem Briefwechsel zwischen der Apothekerkammer Nordrhein und einem der Anwender seien aber keine rechtlichen, wohl aber berufspolitische Bedenken geäußert werden.
Ziel ist der Service in Eigenregie der Apotheken
Berufspolitisch aber will sich Rowa ohnehin am liebsten raushalten: Das mit Pharmazeuten besetzte Service-Center sei eher Mittel zum Zweck, betont Wingenter. Die langfristige Vision ist, dass die Apotheker selbst diesen Service organisieren. So könnte beispielsweise ein Apotheker, der ohnehin Notdienst hat, nebenbei die Automaten von ein paar Kollegen betreuen und auf diese Weise etwas mehr Geld verdienen. "Dazu ist aber eine gewisse kritische Masse an Automaten nötig, die bisher noch nicht erreicht ist", so Wingenter. Geld verdient Rowa mit der Hardware, nicht mit dem Service. Die Installation eines Pillenautomaten inklusive der dazu erforderlichen Umbauten schlägt mit rund 50.000 Euro zu Buche.