Schmiss am Hals nach Degen-Unfall? Hässliche Narbe als Folge einer Operation? Muss nicht sein. Mit Hilfe der Gentechnik wollen Wissenschaftler einem Urproblem der menschlichen Verletzbarkeit zu Leibe rücken - und könnten damit einen boomenden Markt erschließen.
Mit Narben ist das so eine Sache. An der richtigen Stelle und in der richtigen Größe können sie durchaus schmücken, manch einen in manchen Situationen vielleicht sogar "anmachen". Im Großen und Ganzen allerdings werden Narben eher als störend empfunden. Es wundert deswegen nicht, dass sich Forscher diesem Problem nicht nur kosmetisch nähern wollen, sondern auch andere Strategien in Erwägung ziehen.
Narbefrei ist (keine) Hexerei
Wissenschaftler um Professor Paul Martin von der Universität Bristol in England wollen jetzt die Gene zu Hilfe nehmen, um der Narbe etwas von den mit ihr verbundenen ästhetischen Problemen zu nehmen. Dass der Körper prinzipiell zu narbenfreier Wundheilung in der Lage ist, weiß jeder, der öfter einmal Schnittwunden an den Fingern hat. Auch tief ins Corium reichende Rhagaden können ohne sichtbare Residuen abheilen. Mit etwas Gentechnik sollte sich die Gewebsregeneration also vielleicht in die richtige Richtung drängen lassen.
Die Engländer haben sich für ihre Versuche eines Gens angenommen, dass bei der Initiierung der Wundheilungsprozesse eine wichtige Funktion einnimmt, nämlich des Osteopontin-Gens. Sie konnten zeigen, dass Makrophagen und Mastzellen bei einer Wunde Mediatoren freisetzen, die die Bindegewebszellen (Fibroblasten) dazu veranlassen, vermehr Osteopontin zu exprimieren. Das wiederum begünstigt die Bildung von Granulationsgewebe und den bindegewebigen Umbau der Wunde. Der Trick der Wissenschaftler bestand nun darin, genau dieses Osteopontin-Gen abzuschalten. Mit Erfolg: Bei abgeschaltetem Osteopontin-Gen bildeten sich in einer frischen Wunde vermehrt Blutgefäße, was den Heilungsprozess beschleunigt, die Menge des Granulationsgewebes reduziert und letztlich dem Körper weniger Zeit lässt, bindegewebiges Narbengewebe zu produzieren.
Die Narbenbremse gibt's aus der Tube
So weit so eindrucksvoll. Nur: Wie lässt sich ein Gen in einer Wunde eigentlich abschalten? Die Forscher haben eine einfache Antwort gefunden: Mit Gel. Natürlich nicht mit irgendeinem Gel. In der Paste, die in Bristol in den Wundgrund geschmiert wird, befindet sich massenweise Antisense-DNA, die sich gegen eben jenes Osteopontin-Gen richtet und dieses beziehungsweise dessen Transkripte durch Anlagerung inaktiviert.
Aber es geht auch noch anders: Die Briten fanden nämlich außerdem heraus, dass einer jener Faktoren, mit dem Mastzellen und Makrophagen die Osteopontinexpression in Fibroblasten stimulieren, ein alter Bekannter ist, der Wachstumsfaktor der Blutplättchen (PDGF). Der aber lässt sich unter anderem durch Tyrosinkinaseinhibitoren bremsen, namentlich durch Imatinib (Glivec®), die "Wunderwaffe" in der Therapie bei chronisch-myloischer Leukämie und gastrointestinalem Stromatumor. Und siehe da: Auch Imatinib, lokal appliziert, führte zu einer Verringerung der Narbenbildung, wie die Wissenschaftler in Journal of Experimental Medicine berichten.
Lizenz und Patent sind schon untergebracht
Wer sich den Schönheitswahn der Gegenwart vor Augen führt, glaubt sofort, dass sich mit Anti-Narben-Mitteln erheblich Geld verdienen lassen müsste. Das sieht auch Martin so: "Wir hoffen, dass es nicht zu lange dauert, bis solche Therapien auch klinisch zur Verfügung stehen", so der Wissenschaftler, "PDGF und Osteopontin sind jetzt klare Targets für Medikamente, die die Wundheilung verbessern oder an anderer Stelle im Körper die Fibroseneigung hemmen sollen". Gleevec allerdings ist bekanntlich schon unter Patent, sodass sich die kommerziellen Hoffnungen der Briten eher auf die Strategie mit der Antisense-DNA stützen. "Tatsächlich wurde diese Technik bereits von einer in Wundheilungsbehandlungen spezialisierten Biotech-Company lizenziert und patentiert", freut sich Martin. Na dann: Aktien kaufen.