Neue Methoden der DNA-Analyse können die Trefferquote im Mikrobiologie-Labor bald erheblich steigern. Denn Pyrosequenzierungs-Automaten spüren auch bisher unbekannte Erreger in kürzester Zeit auf. Zeit, die entscheidend für die Rettung von Patienten sein kann.
In diesem Fall hatten sämtliche anderen Methoden versagt. Die Labormediziner konnten den Erreger weder mit den klassischen Verfahren der Mikrobiologie, noch mit PCR oder anderen etablierten Methoden der DNA-Technologie identifizieren. Der vermeintliche Mörder dreier Empfänger von Organtransplantaten ließ sich nur durch eine neue Technik der DNA-Sequenzierung überführen. Automatisiertes "Pyrosequencing" machte es den Wissenschaftlern an der New Yorker Columbia University zusammen mit ihren Kollegen am Infectious Diseases Reference Laboratory im australischen Victoria möglich, einen bisher nicht bekannten Stamm von Arenaviren als Auslöser für die tödliche Enzephalitis zu bestimmen.
100.000 DNA-Stücke gleichzeitig sequenziert
Normalerweise verlaufen Infektionen mit Arenaviren im Menschen asymptomatisch oder lösen leichte grippeähnliche Symptome aus, wenn sie von Nagetieren übertragen werden. Bekannte Mitglieder der Familie sind das Lymphozytäre Choriomeningitis-Virus (LCMV) und der weitaus gefährlichere Erreger des Lassa-Fiebers. "Der Organspender wies keinerlei Anzeichen einer akuten Infektion auf", beschreibt Gustavo Palacios und seine Kollegen im New England Journal of Medicine den Fall. Innerhalb von vier bis sechs Wochen starben jedoch die drei australischen Frauen, die Nieren und Leber nach der tödlichen Gehirnblutung des Spenders erhalten hatten. Die negativen Ergebnisse liessen die australischen Mikrobiologen nicht ruhen. Sie wandten sich an Ian Lipkin, Professor für Epidemiologie, Neurologie und Pathologie an der Columbia Universität in New York.
Aus den RNA-Isolaten von Niere und Leber sowie dem Liquor zweier Empfänger gewann sein Team mit Hilfe der PCR-Technik rund 100.000 DNA-Abschnitte, die sich sequenzieren ließen. Den Rest überließen die Wissenschaftler dem Computer. Er reduzierte die Daten durch Vergleich mit dem bekannten Genom des Menschen. Zurück blieben die Sequnzen eines möglichen mikrobiellen Erregers. Die Übersetzung in Aminosäure-Sequenzen lieferte dann den entscheidenden Hinweis. Die Abfolge der Proteinbausteine ähnelte der von LCMV. Tatsächlich fanden sich in 22 von 30 Proben RNA-Sequenzen eines solchen neuartigen Arenavirus. Den Mikrobiologen gelang es mit diesem Wissen schließlich auch, Virenmaterial aus den Proben in der Zellkultur serologisch nachzuweisen.
Ideal für Bakterien, Viren und Neandertaler
In einem Kommentar zum Artikel lobt Richard Whitley, Professor für Mikrobiologie an Universität von Alabama, die neue Sequenzierungsmethode: "Sie ist ideal für Anwendungen mit unbekannten Bakterien, Pilzen, Parasiten oder Viren". Denn anders als bei der PCR oder bisher angewandten Methoden kann automatisiertes Pyrosequencing viele kurze DNA-Abschnitte sehr schnell analysieren. Ähnlich wie bei der beiden klassischen Sequenzierungstechniken registriert ein Detektor den Einbau unterschiedlicher Nukleotide nach Vorlage des DNA-Gegenstrangs. Bei der Reaktion wird Pyrophosphat frei, das sich enzymatisch in Lichtblitze umsetzen lässt. Das zur Roche-Gruppe gehörende Unternehmen 454 Life Sciences automatisierte die Technik schließlich zum "High throughput Sequencing" mit einem Datenausstoß von 100 Millionen Nukleotiden in einem siebenstündigen Durchlauf.
Weil die Methode bei DNA-Schnipseln stockt, die länger als 150-200 Basenpaare lang sind, ist sie für die Analyse langer Genomabschnitte beispielsweise beim Menschen umstritten. Nicht jedoch, wenn es sich dabei um Proben mit einem Alter von 40.000 Jahren handelt. Denn Svante Pääbo und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig konnten aus den kleinen DNA-Stücken von Neandertaler-Knochen bisher mehr als eine Million Basenpaare des Erbguts unserer Vorfahren entschlüsseln und machte die Technik damit weltweit bekannt. Ziel des Projekts ist es, das Genom komplett zu entziffern und mit dem des heutigen Homo sapiens zu vergleichen. Besonders gut eignet sich die Methode für kurze DNA-Abschnitte, also auch für die Analyse von Mikroben-DNA.
Die Suche nach Erregern bei Fällen von Enzephalitis ist in amerikanischen Labors in vier von zehn Fällen erfolglos. Bei Atemwegsinfektionen im Kindesalter werden die Ärzte nur in in 30-60 Prozent fündig, schreibt Whitley in seinem Artikel. "Schnelle und genaue Bestimmung von Pathogenen werden in einer globalisierten Welt immer wichtiger - besonders dann, wenn davon die Behandlung, die Kontrolle eines Ausbruchs einer Epidemie oder wie hier die Sicherheit von Organtransplantationen abhängt", schätzt Ian Lipkin die Bedeutung der Methode ein. Die Technik scheint bereit zustehen, um auch bisher unbekannte Erreger schnell zu charakterisieren. Zum Reperoire in der Labormedizin gehört sie noch nicht. "Bisher", so Andreas Nitsche vom Robert-Koch-Institut, gibt es sehr wenig dieser Geräte in Deutschland - meist für andere Anwendungen. Ich hoffe wir können das bald ändern."