„Aufsichtsbehörde macht Apotheke nach 46 Jahren dicht“: Derartige Horrormeldungen geisterten vor wenigen Wochen durch die Medien. Pharmazierat Christian Bauer erklärt, warum solche drastischen Maßnahmen sehr selten erforderlich sind – und worauf Inhaber achten sollten.
„Meist finden wir pragmatische Lösungen“, so das Resümee von Christian Bauer nach 20-jähriger Tätigkeit als Pharmazierat in Bayern. Gleichzeitig ist er erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD). Als Apothekenleiter weiß Bauer, wovon er beim Apothekenbetrieb spricht. Der Experte erzählt, welche Schwachstellen bei Revisionen auftreten können. Ein Rundgang durch alle Bereiche.
Christian Bauer © privat „Bis heute ist die Barrierefreiheit ein großes Thema“, berichtet der Pharmazierat. Bei etlichen Stufen vor dem Eingang gelingt es kaum, eine Rampe anzubringen. Trotzdem sind Lösungen gefragt. Bauer schlägt Inhabern vor, zum Beispiel eine Funkglocke anzubringen, um Angestellte zu verständigen. Er nennt nicht nur störende Treppen, sondern auch massive Eingangspforten, die sich gerade für ältere Personen schwer öffnen lassen. Deshalb seien automatische Türen empfehlenswert. Ohne Sanierung schließt er die Apotheke nicht, protokolliert aber entsprechende Mängel. Eine fehlende Barrierefreiheit kann sich rächen, sollten Inhaber eine Übergabe planen. Bauer: „Momentan haben wir einen Käufermarkt. Ein potenzieller Existenzgründer wird sich unter Umständen für eine Apotheke mit Barrierefreiheit entscheiden, wenn mehrere Kaufoptionen angeboten werden.“ Kein Wunder: Die Zahl an Patienten mit einem Rollator oder mit Krücken steige ständig.
Sind Kunden endlich in der Offizin, warten sie auf Beratungsgespräche. „In manchen Apotheken ist anteilsmäßig zu wenig pharmazeutisches Personal“, erzählt Bauer. Das Verhältnis von pharmazeutischem zu nicht pharmazeutischem Personal sollte mindestens eins zu eins sein, eher größer. Zusammen mit dem Inhaber oder der Inhaberin strebt er langfristige Lösungen an. Sein Rat lautet, gegebenenfalls nach dem Ausscheiden einer PKA besser eine PTA einzustellen. Bleiben noch Approbierte. „Für mich ist eine Todsünde, wenn kein Apotheker vor Ort ist. Dann folgt eine befristete Schließung mit Ordnungswidrigkeitsverfahren, Geldbuße und Berufsgerichtsverfahren.“ Außerdem sollten Inhaber sich nicht rar machen: Laut Paragraph 7 des Apothekengesetzes (ApoG) müssen sie ihre Apotheke persönlich leiten. „Das heißt persönliche Anwesenheit in Vollzeit, sprich 38 bis 40 Wochenstunden“, erklärt Bauer. Nebentätigkeiten mit 20 Wochenstunden während der normalen Öffnungszeiten werden sich kaum mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang bringen lassen. „Die Apotheke geht vor, ansonsten ist die Betriebserlaubnis gefährdet.“
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Artikel in der Freiwahl etwas zu suchen haben. Bauer: „Bei den apothekenüblichen Waren versuche ich, die Auswüchse etwas einzudämmen.“ Normale Lebensmittel, aber auch Paketannahmestellen, sind fehl am Platz. Weiter geht es zum HV-Tisch. „Auch die Vertraulichkeit am HV-Tisch ist zwingend erforderlich“, so Bauer. Angesichts räumlicher Gegebenheiten sei dies oft eine Gratwanderung. Hier sieht der Experte mehrere pragmatische Lösungen. Farblich markierte Diskretionszonen oder Aufsteller sorgen für räumlichen Abstand. Und im Beratungsgespräch lassen sich manche Begriffe einfach vermeiden. Dazu gehören das Krankheitsbild selbst und der Präparatname. Doch wie gut berät das Team? Bauer stellt Apotheker oder PTA gern auf die Probe. Er nennt ein paar Präparate, um zu sehen, ob sie überhaupt Interaktionschecks durchführen. Oder er will wissen, ob sich eine bestimmte Tablette teilen lässt. Vielleicht müssen Kollegen auch berechnen, welche Dosierung eines antibiotischen Saftes für ein zweijähriges Kind korrekt ist. „Ich sehe schnell, ob das Routine ist oder ob das Angestellte vielleicht zum ersten Mal seit Jahren machen.“
Patienten erwarten nicht nur fundierte Informationen, sondern auch hochwertige Arzneimittel. „Die richtige Lagerung von Arzneimitteln ist in manchen Apotheken unter Umständen nicht mehr gewährleistet, etwa bei extremen Temperaturen“, berichtet Bauer. Das beginnt schon bei der Anlieferung außerhalb der Öffnungszeiten durch den Großhandelsfahrer. Im allgemein zugänglichen Treppenhaus haben Versandkisten mit Präparaten nichts zu suchen - schließlich könnten sich Unbefugte bedienen. Zudem sieht die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) eine Lagertemperatur zwischen 2° C bis maximal 25° C vor. „Der Wert wird an heißen Sommertagen teilweise überschritten“, weiß Bauer. Um Wannen der Nachtanlieferung richtig aufzubewahren, sei nicht zwangsläufig eine Schleuse erforderlich. „Oft reicht bereits ein abschließbarer Schrank oder ein von außen zugänglicher Kellerraum“, berichtet der Pharmazierat. Generell fordert er valide Daten über den Temperaturverlauf, um zu entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Dabei sind Messwerte im Lagerbereich, im Kühlschrank und bei den Ziehschränken zu erfassen.
Beispiel eines ZL-Ringversuchs zur Qualitätskontrolle © ZL / Screenshot DocCheck Auch in der Rezeptur und der Defektur geht es um Qualitätsaspekte. Für die organoleptische Prüfung von Rezeptur-Arzneimitteln fordert Bauer Ausstreichtests oder Kontrollen des pH-Werts, je nach Galenik. „Weißes Pulver, löslich in Wasser“ sei keine sinnvolle Herangehensweise, sagt Bauer. Er sieht Dokumentationen ein, will aber auch wissen, welche Maßnahmen der Inhaber einleitet, sollte es zu Abweichungen kommen. Bei Defekturen beobachtet er eine „gewisse Angst“ vieler Kollegen, welche analytische Prüfungen des Endprodukts erforderlich seien. „Messmethoden gibt es viele in der Apotheke. Wichtig ist, zu eruieren, welches Verfahren sich für die individuelle Fragestellung eignet“, erzählt der Pharmazierat. Er fordert, einmal pro Jahr an Ringversuchen teilzunehmen. Findet das ZL bei einer Salbe etwa Inhomogenitäten, reicht es oft schon aus, beispielsweise Rührparameter zu verändern, damit die Qualität stimmt.
Christian Bauer betont, immer zusammen mit den Inhabern als Kollege eine Lösung zu suchen – und sie nicht alleine stehen zu lassen oder gegen sie zu sein. Seine Arbeit sieht er als Beitrag zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die öffentliche Apotheke vor Ort, um damit die Alleinstellungsmerkmale zu festigen und Betriebe unersetzbar zu machen.