Bis zu 80 Prozent aller Krebs-Todesfälle ließen sich vermeiden. Zu diesem Ergebnis gelangt eine der umfangreichsten Präventionsarbeiten, die an insgesamt 48 Zentren der USA unter Federführung des University of Texas Anderson Cancer Center läuft und in einer Vielzahl von Publikationen dokumentiert wurde.
Die Forschungsarbeiten zu diesem Großprojekt begannen in den 1970er Jahren. Mittlerweile befassen sich 140 Forschungsprojekte und klinische Studien mit der Zukunft der Krebsprävention. Die nun vom Anderson Center vorgelegte Evaluierung des aktuellen Forschungsstands bestätigt, dass der Einzelne viel dafür tun kann, nicht an Krebs zu erkranken.
Als Krebsursache Nummer eins gilt nach wie vor das Rauchen, wie die Amerikaner jetzt erneut betonen. Über 438.000 US-Bürger bezahlen ihre Nikotinsucht Jahr für Jahr mit dem Leben, Zigarettenkonsum macht rund zwei Drittel aller Krebsfälle aus. Was kaum ein Laie weiß: Rauchen löst nahezu alle Arten von Tumoren aus - und lediglich bei 20 Prozent der Raucher Lungenkrebs. "Neben Krebs der Mundhöhle, des Rachens und des Kehlkopfes, der Lunge, Speiseröhre, Bauspeicheldrüse, Harnblase und Niere sind noch weitere Krebsarten als tabakrauchbedingt identifiziert worden: Magen-, Leber- und Gebärmutterhalskrebs sowie Nierenzellkarzinome", warnte vor kurzem auch die Deutsche Krebsforschungsgesellschaft (DKFZ). Allerdings verhallen solche Warnungen meist ungehört oder führen erst relativ spät zu einem Umdenken. Was Betroffene letztlich veranlasst, ihr Verhalten zu ändern, und wann der entsprechende Zeitpunkt gekommen ist, darüber rätseln die Wissenschaftler noch immer.
Bioverhalten im Visier
Die Antworten auf solche Fragen sind nach Meinung von Bernard Levin, Leiter des Cancer Prevention Center and Population Sciences der University of Texas, der Schlüssel zur Krebsprävention der Zukunft. Denn Levin zufolge entscheidet das so genannte Bioverhalten eines Menschen darüber, ob und wann er einen Krebs entwickelt, denn jeder Organismus reagiert auf Karzinogene anders, aber die Mechanismen als solche sind die gleichen. Als so genannte Assays haben die Mediziner ausgemacht:
So entwickelten Menschen, die auf Grund ihrer falschen Ernährung zu wenig Folsäure zu sich nahmen, verstärkt Blasenkrebs, wenn sie über einen schwächeren DNA-Reparaturmechanismus verfügten. Im Umkehrschluss lassen sich Levin zufolge genau solche Fälle vermeiden - wenn bei Kenntnis dieser genetischen Prädisposition über die Ernährung ausreichend Folsäure zugeführt wird.
Einzelne Risikofaktoren der Krebsentstehung sind, je nach Tumorart, ohnehin bekannt. Doch erst das Bioverhalten des Einzelnen entscheidet offenbar darüber, wer an einem Tumor erkrankt und wer nicht. Das genetische Profil wiederum lässt sich nach den bisherigen Ergebnissen aus Texas durchaus austricksen.
So führt die Einnahme von bestimmten entzündungshemmenden Substanzen bei Menschen mit einem hohen genetischen Dickdarmkrebsrisiko zu einer deutlichen Senkung der Krebsrate. Das US-amerikanische National Cancer Institute (NCI) hat auf Grund solcher Fakten insgesamt fünf Wirkstoffe für die Forschung empfohlen: Retinoide, Nonsteroidiale antiinflamatorische Wirkstoffe (NSAIDs), Kalzium-Präparate und selektive Östrogen Rezeptor Modulatoren (SERMs).
Alte Tipps im neuen Glanz
Bewegung, eine fettarme Kost und Alkohol in Maßen - was seit Jahrzehnten Praxismediziner fordern, findet nun seine molekulargenetische Bestätigung. All diese Verhaltensweisen tragen massiv zur Krebsprävention bei, weil sie dem Reparaturmechanismus des Körpers nicht im Wege stehen oder ihn sogar aktiv unterstützen, wie Levin betont. Wer sich zudem regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen unterziehe, senke sein persönliches Krebsrisiko "um mindestens 50 Prozent, wenn man konservativ rechnet", wie Levin meint.