Wieder einmal präsentierten sich Anbieter von Telemedizin in Hannover auf der CeBit 2008. Das Novum: Dieses Mal wurde nicht nur verträumte Zukunftsmusik gespielt. Der Fokus lag auf konkreten Anwendungen, die Ärzten schon bald eine zusätzliche Vergütung einbringen könnten.
Der Stand B16 auf der CeBit 2008 in Hannover war derart klein, dass er im Vergleich zu den Großen der Halle 8 nahezu unsichtbar wirkte. Und doch war das, was sich auf wenigen Quadratmetern präsentierte, womöglich der Anfang einer neuen Zeitrechnung: Erstmals könnte das Handy zum zentralen Tool der Telemedizin avancieren - und niedergelassenen Ärzten nicht unerhebliche Mehreinnahmen verschaffen.
Unter dem Namen InPriMo will nämlich ein staatlich gefördertes Konsortium aus Wissenschaft und Privatwirtschaft das ermöglichen, was der Gesundheitspolitik mit der Umsetzung der Gesundheitskarte in Deutschland bisher noch nicht so richtig gelang: Die schnelle Etablierung eines Elektronischen Telemedizin-Systems für die Vernetzung und Verwertung sensibler Patientendaten. Doch während das von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geführte Ministerium nur auf neue Testregionen für die elektronische Gesundheitskarte in Wolfsburg, Bochum-Essen, Löbbau-Zittau und drei weiteren Orten hinweisen konnte, stellten die von Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten InPriMo-Mannen auf ihrem Winzlings-Stand ob des knappen Platzes recht selbstbewusst einen schlichten Monitor auf.Die Zukunft heißt mHealth
Zu sehen war darauf freilich eine ganze Menge. Denn im Vergleich zu den bisherigen Avancen der Telemedizin vereint das Konsortium das Expertenwissen zweiter Fraunhofer-Institute mit jenem der TU Berlin und einiger Medizintechnik-Unternehmen. Und, das ist das eigentlich Spektakuläre an der Sache, mit dem Know How der Marktgiganten Vodafone und Motorola.
Dabei geht es um mHealth, einem zukunftsträchtigen Zweig der Telemedizin. Der Clou: Über spezielle Sensoren, die sich in der Kleidung oder als Ohrschmuck getarnt am Körper des Patienten anbringen lassen, gelangen die registrierten Daten auf die modulare mHealth Plattform - via Handy. Was auf ersten Blick freakig klingt, hat einen handfesten Hintergrund: Nahezu jeder Patient verfügt über ein solches Gerät, die Daten ließen sich somit quasi jederzeit übertragen.
Pauschal-IGeL als Lösung?
Auf die sensiblen Daten der mHealth-Plattform könnten in Zukunft dann verschiedene Dienstleister der Gesundheitsbranche zugreifen. Und Ärzte, deren Praxen an die Plattform angebunden sind. Der Nutzen für den Patienten ist eminent. Denn das Echtzeit Monitoring über's Handy erlaubt zum einen die Aussendung von Warnsignalen oder Empfehlungen an den Patienten, wenn bestimmte Werte über Normal hochschießen. Unternehmen wie 4Sigma, die dem Konsortium als Partner angeschlossen sind, bieten diesen Service. Zum anderen können niedergelassene Ärzte auf stets aktuelle Messdaten wie Blutdruck oder Puls ihrer Risikopatienten zugreifen.
Das sich dieser Nutzen auch für den niedergelassenen Arzt rechnet, erklärt Christian Leopold, Projektmanager bei 4Sigma im Gespräch mit DocCheck so: "Denkbar wäre das Anbieten einer entsprechenden IGEL-Leistung für ca. 150 Euro im Jahr". Tatsächlich zeigen bisherigen Erfahrungswerte mit IGEL-Angeboten, dass viele Patienten für einen besseren Rundumschutz gerne die Zusatzleistungen aus eigener Tasche bezahlen.
Erste konkrete Anwendungen stecken bereist in den Startlöchern. So soll in Kürze die InPriMo-Plattform in einem Feldversuch das klassische Asthma-Tagebuch ersetzen. Die mit einem Blootooth-fähigem Peak-Flow-Meter gemessenen Werte werden dabei automatisch an ein Smartphone übertragen und dort via Mobilfunk an die InPriMo-Plattform übermittelt. Von da aus ist der Weg in die Praxis nur noch Formsache - und die entsprechende IGEL-Vergütung für diese Leistung vermutlich nur noch eine Frage der Zeit.
Zahlen sprechen für sich
Dass TeleMonitoring die medizinische Betreuung und damit die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend verbessert werden belegt auch ein aktuelles VDE-Positionspapier, das ebenfalls als Novum auf der CeBit vorgestellt wurde: "TeleMonitoring zur Prävention von Diabetes-Erkrankungen".
Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten reiche allein bei Diabetes "von der Prävention des gesundheitsbewussten, über die Risikoüberprüfung des gefährdeten Menschen bis hin zur Diagnostik und Therapiesteuerung von erkrankten und schwerstkranken Patienten", schreibt der VDE und: "Gleichzeitig werden durch den Einsatz von TeleMonitoring die immensen Kosten dieser Krankheit drastisch gesenkt"
Die Zahlen sprechen auch in diesem Falle für sich. Derzeit werden dreißig Prozent der Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung von knapp zehn Prozent der Versicherten mit Diabetes mellitus verursacht. Hierbei machen die Kosten der stationären Behandlung der Folgeerkrankungen den Löwenanteil der Kosten aus. "Durch TeleMonitoring gut eingestellte Diabetes-Patienten verursachen bis zu 90 Prozent weniger Betreuungskosten als Patienten mit einem dauerhaft zu hohen Blutzuckerwert, die häufiger stationär behandelt werden müssen", resümiert der VDE.
Politik wird reagieren müssen
Dass sich auch auf diesem Gebiet für Ärzte zusätzliche Leistungen ergeben werden, ist nahe liegend. Denn der Anstieg der Patientenzahlen mit Diabetes mellitus ist rasant. Viel schneller als bei anderen Indikationen könnte die Politik hier reagieren, sofern sie die Message des VDE versteht: "Die Betreuungskosten für Diabetiker mit schlecht eingestelltem Stoffwechsel betragen das Fünf- bis Zehnfache der Kosten für gut eingestellte Patienten. Der VDE hält unter Qualitäts- und Kostengesichtspunkten den massiven Einsatz des TeleMonitoring bei Diabetes gegenüber einer konservativen Vorgehensweise für die klar überlegene Strategie".
Zumindest bei Medizinern und Patienten stößt das TeleMonitoring bei Diabetes nach einer Untersuchung der TU Berlin und einer Fallstudie der Taunus Betriebskrankenkasse schon heute "auf überragende Akzeptanz und Zustimmungswerten", von denen die Gesundheitsministerin in Berlin nur träumen kann: 90 Prozent.