Der Hersteller eines der beliebtesten deutschen OTC-Präparate muss sich gegen den Vorwurf der Biopiraterie wehren. Eine kleine Gemeinde in Südafrika ficht zwei europäische Patente an. Begründung ist eine unzulässige Monopolisierung genetischer und kultureller Ressourcen.
Es gibt wahrscheinlich kaum eine Apotheke in Deutschland, die Umckaloabo nicht an vorderster Verkaufsfront im Apothekenregal stehen hat. Extrakte aus der Wurzel afrikanischer Pelargonium-Pflanzen, wildwüchsigen Unterformen der Geranien, gelten in Sirupform als probates Mittel gegen Bronchitis und Erkältungen. Der Hersteller von Umckaloabo ist die deutsche Dr. Willmar Schwabe GmbH, die das Präparat über diverse Tochterunternehmen weltweit vermarktet. In Deutschland ist das der Anbieter Spitzner Arzneimittel. Schwabe ist spezialisiert auf naturheilkundliche Produkte und hat das Präparat mit dem kongenialen Namen zwischenzeitlich unter die "Top twenty" der deutschen Arzneimittelhitparade gebracht. Vor allem seit der Jahrtausendwende sind die Umsätze sprunghaft angestiegen: Presseberichte sprechen von acht Millionen Euro im Jahr 2002 und bereits 80 Millionen Euro im Jahr 2006 - allein in Deutschland.
Tradition und Stammeswissen: Wegpatentiert...
Jetzt bekommt das Unternehmen dafür Ärger: Die kleine südafrikanische Gemeinde Alice in der östlichen Kapprovinz geht beim Europäischen Patentamt gegen zwei Patente von Dr. Willmar Schwabe im Zusammenhang mit Umckaloabo vor. Der Vorwurf: Diebstahl von traditionellem Wissen, außerdem - über das südafrikanische Tochterunternehmen Parceval - Ausbeutung lokaler Arbeitskräfte zur Ernte der Rohstoffe für Umckaloabo und Raubbau an einheimischen Pflanzen, die mittlerweile fast ausgelöscht seien. "Die Community will Firmen daran hindern, zu behaupten, sie hätten als erste die medizinische Bedeutung dieser Pflanze entdeckt, denn wir wussten das schon immer", sagt die Sprecherin der Alice-Community Nomthunzi Sizani. "Sie verhalten sich wie Diebe und stehlen unser Eigentum."
Konkret geht es um die beiden Patente EP 1429795 und EP 1651244. Das erste Patent von Juni 2007 gewährt Schutz für die Pekolations- und Mazerationsprozedur zur Herstellung von Pelargoniumextrakt mit einem wässrigen, alkoholhaltigen Lösungsmittel. Dieses Patent, argumentieren die Kläger, gebe Schwabe zwanzig Jahre lang in allen Ländern der Europäischen Patent Konvention (EPC) ein Monopol über Herstellung, Verkauf, Import und Export der mit Hilfe von Wasser und Alkohol extrahierten aktiven Bestandteile von Pelargonium. Dabei handele es sich um eine ganz gewöhnliche phytomedizinische Extraktionsmethode. Aus diesem Grund hat das African Center for Biosafety (ACB) jetzt Klage gegen das Patent eingereicht und fordert, es vollständig zu annullieren. Bei dem zweiten strittigen Patent geht es um die Verwendung von Pelargoniumwurzel-Extrakt zur Herstellung eines Arzneimittels bei AIDS-Folgeerkrankungen. Auch dieses Patent müsse annulliert werden, so die Kläger.
... oder nur weiter entwickelt?
Die Gemeinde Alice erhält bei ihrem Ansinnen relativ breite Unterstützung: Außer dem African Center for Biosafety stehen die Schweizer NGO Erklärung von Bern, der Evangelische Entwicklungsdienst sowie die Organisation Kein Patent auf Leben hinter den Klagen. Rechtlich unterstützt werden sie durch den Schweizer Rechtsprofessor Fritz Dolder von der Universität Basel, der für die EVB auch ein Rechtsgutachten zum Thema erarbeitet hat. Die Kläger berufen sich im Wesentlichen auf die UN-Konvention zur biologischen Vielfalt, die 1992 in Rio de Janeiro das Licht der Welt erblickte und von Südafrika am 2. November 1995 ratifiziert wurde.
Bei Schwabe beziehungsweise Spitzner will man von Biopiraterie allerdings nichts wissen. In einer Stellungnahme argumentiert das Phytopharmakaunternehmen, dass Umckaloabo bereits seit 1935 in Deutschland vertrieben werde und damit nicht unter die Regularien der Rio-Konvention falle. Verwiesen wird außerdem auf ein aufwändiges Nachzulassungsverfahren, das auf klinischen Studien und praktischen Erfahrungen mit dem Extrakt in Europa beruhe.