Ärzte aus den USA kritisieren den exzessiven Einsatz von implantierbaren Defibrillatoren bei Herzpatienten. Die teuren Geräte würden zu oft bei Patienten eingesetzt, für die sie gar nicht untersucht seien. Die Folge: Kaum medizinischer Nutzen und schlechte Kosteneffektivität.
Sie gehören ganz ohne Zweifel zu den Wunderwerkzeugen der modernen Medizin: Kaum streichholzschachtelgroße Metallgehäuse, die mit winzigen Elektroden den Herzrhythmus überwachen. Im Falle von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen lösen sie Elektroschocks aus, die dem Betroffenen unter Umständen das Leben retten. Was schon theoretisch ein überzeugendes Konzept ist, ist auch in klinischen Studien gut untersucht: ICD-Geräte sind heute in der Primärprävention des Kammerflimmerns fest etabliert. Die Kriterien für eine Implantation wurden dabei von Studie zu Studie ausgeweitet. Als Maßstab gilt weiterhin die gut 6 Jahre alte MADIT II-Studie: Bei Patienten nach Myokardinfarkt mit einer Ejektionsfraktion von maximal 30 Prozent gab es nach einer Beobachtungszeit von 20 Monaten eine relative Verringerung der Gesamtmortalität um 31 Prozent und eine absolute Risikoreduktion um 5,6 Prozent. 18 ICD retten bei diesem Kollektiv demnach ein Leben.
Viele ICD-Kandidaten sind eigentlich zu krank
So weit, so unbestritten. Zwar gibt es immer wieder Diskussionen um die sehr breiten MADIT-II-Kriterien. Nicht wenige plädieren für eine Verbreiterung des QRS-Komplexes im EKG als Zusatzkriterium. Die "Number needed to treat" fällt dann deutlich günstiger aus, wie Subgruppenanalysen der MADIT II-Studie gezeigt haben. Im Großen und Ganzen aber sind die MADIT II-Kriterien akzeptiert. Trotzdem meldeten sich jetzt in der Juni-Ausgabe des American Heart Journal Kardiologen der St. Louis-University mit einem äußerst kritischen Beitrag zu Wort. Die Ärzte um den Internisten Professor Paul Hauptmann haben sich die klinische Realität der Implantation von ICD-Geräten und den meist mit ICD kombinierten Geräten zur kardialen Resynchronisation ("biventrikuläre Schrittmacher") angesehen.
Ihr Fazit: ICD-Geräte und biventrikuläre Schrittmacher werden viel zu oft bei Patienten eingesetzt, die aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands gar nicht lange genug leben, um von den Geräten in nennenswertem Umfang profitieren zu können. "Diese Implantate sind eigentlich nicht gedacht gewesen für sehr kranke Patienten, die mit schwerer Herzinsuffizienz im Krankenhaus liegen, geschweige denn dass sie für diese Patienten in Studien untersucht worden wären", so Hauptmann. In der klinischen Realität geschehe aber genau das: Patienten mit niedriger Lebenserwartung erhielten einen ICD oder ein Resychronisationsgerät, weil sie formal das Kriterium einer niedrigen kardialen Pumpfunktion nach Myokardinfarkt erfüllen.
Inotrope Medikamente als Prädiktor für frühen Tod?
Methodisch sind die US-Ärzte so vorgegangen, dass sie eine nationale Klinikdatenbank als Grundlage ihrer Auswertung genutzt haben. Hier identifizierten sie in insgesamt 240 Kliniken knapp 28000 Patienten, die in den Jahren 2004 und 2005 eine ICD oder einen biventrikulären Schrittmacher wegen chronischer Herzinsuffizienz erhalten hatten. Sie sahen sich dann an, wie viele dieser Patienten noch im Krankenhaus starben und wie viele Kosten entstanden. Nicht ganz überraschend war die Kosteneffektivität der Implantate bei den Patienten, die früh starben, nur halb so gut wie bei jenen, die nicht früh starben. Was die Ärzte eigentlich interessierte, waren aber prädiktive Faktoren für einen frühen Tod, um in Zukunft jene Patienten besser identifizieren zu können, die wirklich von einem Implantat profitieren, weil sie lange genug leben.
Hier hatte vor allem der Einsatz von positiv inotropen Substanzen einen hohen Vorhersagewert: Jeder vierte Patient, der während des Klinikaufenthalts positiv inotrope Substanzen erhielt, starb noch stationär. Eine Therapie mit inotropen Medikamenten sollte nach Auffassung der Autoren deswegen Anlass sein, eine ICD-Indikation zumindest noch einmal zu durchdenken. "Es ist klar, dass Patienten, die eine inotrope Therapie brauchen oder sehr wahrscheinlich brauchen, eher geringe Chancen haben, von einem kardialen Implantat zu profitieren. Auch die Leitlinien zur ICD-Implantation betonen, dass die Lebenserwartung zumindest ein weiteres Jahr betragen sollte", so Hauptmann. Der Experte plädiert deswegen dafür, Kriterien, die für eine geringe Lebenserwartung sprechen, in den ICD-Leitlinien aufzuführen.