"Gießen? Warum denn unbedingt dahin?" - So oder so ähnlich dürfte die Reaktion bei den Meisten aussehen, wenn der Brief der ZVS im heimischen Briefkasten die Stadt im Zentrum Hessens als neuen Studienort offenbart. Doch Gießen und seine Uni sind durchaus attraktiv.
Studium
Jedes Semester das gleiche Bild: In der Einführungswoche, die nur an wenigen Unis so umfangreich angeboten wird, tauschen die "Erstis" Freude und Leid untereinander aus. Freude, dass es mit dem ersehnten Studienplatz geklappt hat und Leid, warum es denn ausgerechnet Gießen sein musste. Man findet kaum jemanden, der sich nicht selbst als "ZVS-Opfer" bezeichnet und feierlich schwört die Stadt an der Lahn so schnell wie möglich in Richtung attraktiverer Studienorte wieder zu verlassen. Doch fast jedes "ZVS-Opfer" erkennt mit der Zeit die Vorzüge der Justus Liebig Universität (JLU). Hier herrscht zum Beispiel kein Massenbetrieb. Nur etwa 200 Studenten beginnen jedes Semester ihr Medizinstudium an der JLU, die kürzlich ihr 400jähriges Bestehen feiern durfte. Zum Vergleich: Im benachbarten Frankfurt ist die Zahl fast dreimal so hoch. Und so kennt man beinahe alle seine Kommilitonen und geht nicht im Meer der Anonymität unter.
Der Studienaufbau ist gut organisiert. Während woanders im ersten Semester nur Grundlagenfächer wie Chemie oder Physik gelernt werden wollen, erlebt der Gießener Student bereits die Faszination der Anatomie im sagenumwobenen Präp-Kurs. Das hält bei Laune, was angesichts der Physik in Gießen auch bitter nötig ist. Diese ist traditionell knüppelhart und die extremen Durchfallquoten bescheren so Manchem ein zusätzliches Semester. Die Qualität der Lehre ist gut und man merkt, dass in letzter Zeit einige Verbesserungen eingeführt wurden. Sei es neue Geräte für die Praktika oder der Studienraum in der Anatomie, in dem man sich wunderbar auf seine Prüfungen vorbereiten kann. Auch das Bild der Uniklinik ist im Wandel. So löste die jüngst gebaute Kinderklinik das alte, unansehnliche Gebäude ab. An vielen weiteren Stellen im Gelände des Uniklinikums stehen Kräne und Bagger, um neue Forschungszentren oder Klinikneubauten zu errichten. Last, but not least: Nach zwei Semestern Studiengebühren in Hessen, sind diese nun passé. Vielleicht einer der Gründe warum viele der "ZVS-Opfer" Gießen für sich entdeckt haben und entgegen ehemaliger Ankündigungen der JLU die Treue halten.
Hier geht es zum Interview mit einem Studenten aus Gießen:
Stadt
Als Student lebt man in Gießen unter Gleichgesinnten: Von den 74.000 Einwohnern sind 27.000 Studenten. Das ist ein deutschlandweiter Rekord! Keine andere Universitätsstadt kann eine so hohe Studentendichte aufweisen. Es kommt also nicht selten vor, dass man beim Einkaufen oder in der Kneipe auf Kommilitonen stößt. Apropos Kneipen: Die Stadt an der Lahn bietet zwar nicht die schönste Kneipenkultur, doch dürfte an Orten, wie der Ludwigstraße - der Kneipenstraße in Gießen - für jeden Geschmack etwas dabei sein: Ein Cocktail im "Havanna-Club", Milchkaffee im "News Café" oder Dosenbier im "Domizil". Abseits einiger fragwürdiger Bausünden, wie dem "Elefantenklo" - einer riesigen Betonplatte mit drei großen Löchern, die als Fußgängerübergang fungiert, gibt es in Gießen auch richtig schöne Orte. Zum Beispiel der Schwanenteich oder das Lahnufer, die zum Joggen, Grillen oder einfach nur zum Relaxen einladen. Ein weiteres beliebtes Ausflugsziel ist der fünf Kilometer entfernte Schiffenberg. In den Gebäuden einer alten Klosteranlage, die heute als Ausflugslokal dienen, finden regelmäßig größere Partys und andere Veranstaltungen statt. Gießen liegt nicht nur im Zentrum Hessens, sondern auch im Zentrum Deutschlands. Diese zentrale Lage ermöglicht es jedem am Wochenende mal nach Hause zu fahren - kein Weg ist zu weit.
Gießen ist schöner als sein Ruf es erwarten ließe. Also verzagt nicht, wenn ihr von der ZVS einen Studienplatz in der Stadt an der Lahn zugewiesen bekommt, sondern freundet euch mit Gießen an. Es lohnt sich!
Infos auf einen Blick: