Das größte geschlossene Netzwerk befindet sich in unserem Hirn mit Milliarden von Neuronen und Verbindungen. Unvorstellbar, dass man dieses gigantische Geflecht mit Netzwerkzentren und Nervenzellenbahnen auf eine topographische Karte bannen kann. Aber genau das streben Forscher mit dem Projekt "Human Connectome" an. Erste Ergebnisse wurde jetzt veröffentlicht.
Hoch auflösende Karte der menschlichen Großhirnrinde
Internationale Forscher, u.a. das Team um den Mediziner Patric Hagmann von der Universität in Lausanne, haben die erste hoch auflösende Karte der menschlichen Großhirnrinde in PLoS Biology vorgestellt. Für den Laien sieht das wie ein Kunstwerk mit Unmengen wahllos verknüpfter Fäden aus. Tatsächlich zeigt die Hirn-Landkarte die Verschaltung von Millionen von Nervenfasern. Weiterentwicklungen der Magnetresonanztomographie (MRT) machten es den Wissenschaftlern möglich, nicht nur die Anatomie sondern erstmals auch die Orientierung und Verknüpfung einzelner Nervenfaserbahnen darzustellen. Bei der Analyse des Kartenwerks stießen sie auf einen zentralen Knotenpunkt, der der Schlüssel für die Arbeitsweise der beiden Hirnhälften sein könnte.
Darstellung von Anatomie und Aktivität
Experten bezeichnen nicht nur das groß angelegte Kartenwerk als einen Meilenstein in der Erforschung des menschlichen Gehirns sondern auch die neue, non-invasive Technologie, die Wissenschaftler in aller Welt in die Lage versetzen wird, Trillionen von neuronalen Verschaltungen kennen und verstehen zu lernen. Dieses moderne Verfahren bildet die Voraussetzung, um Computermodelle zur Beobachtung von Krankheitsstadien oder Heilungsprozessen im Gehirn zu entwickeln, so der am Projekt beteiligte Olaf Sporns von der Indiana University. Bisher sei meistens die fMRT genutzt worden, um Hirnaktivitäten zu messen. Aber dieses Bildgebungs-Verfahren sage wenig darüber aus, welche Rolle die zugrundeliegende Anatomie spielt. Alle bisherigen Erkenntnisse beruhen auf Tierstudien. Eine vollständige Karte der menschlichen Gehirn-Verschaltungen in der Großhirnrinde habe es bisher nicht gegeben.
Diffusion Spectrum Imaging enthüllt Orientierung von Nervenfasern
Das jüngste Ergebnis der Forschungsgruppe, die hoch auflösende Hirnkarte, basiert auf modernster diffusionsgewichteter Bildgebung (DW-MRT). Dabei werden die thermischen Bewegungen der Wassermoleküle in den Nervenfasern festgehalten und zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Eine Weiterentwicklung ist die "Diffusion Spectrum Imaging (DSI)" -Technologie aus Lausanne und Boston, die eine noch höhere Auflösung erlaubt. Die so ermittelten Bilder werden im Computer zu einer digitalen Landkarte zusammengefügt, die erstmals nicht nur die Orientierung sondern auch die Verknüpfung von Nervenfasern in Hirnbereichen sichtbar macht. In der jetzt vorgestellten Studie wurde die DSI-Methode an der gesamten menschlichen Großhirnrinde von den Wissenschaftlern um Hagmann angewandt. Das Ergebnis waren Karten, die Hunderttausende von Nervenfasernbahnen zeigen. Die Computeranalyse dieses Bildmaterials erfolgte an der Indiana University mit dem Ziel, Netzwerkzentren, so genannte Hubs, mit einer besonders hohen Verschaltung von Nervenfasern im Denkorgan ausfindig zu machen. Dabei entdeckte man - für die Forscher überraschend - ein einzelnes Zentrum, bei dem die Dichte der zusammenlaufenden Verbindungen besonders hoch war. "We found that the core, the most central part of the brain, is in the medial posterior portion of the cortex, and it straddles both hemispheres," erläutert Sporn. Dieses Ergebnis war für die Forscher neu. Man wußte zwar, dass dieses Areal im Ruhezustand sehr viel Energie verbraucht. Aber man wußte nicht weshalb.
Vorhersehen, was das Hirn macht
Bisher waren die Bilddaten von fünf Probanden untersucht und analysiert worden. Es zeigte sich, dass alle unterschiedliche Verschaltungsmuster hatten, was die Vermutung nahe legt, dass die Struktur des Denkorgans maßgeblich für die Arbeitsweise ist. "This means that if we know how the brain is connected we can predict what the brain will do," hofft Sporns. Die Forscher aus Indiana und Lausanne planen, Karten von weiteren Gehirnen zu erstellen, um mehr über die Arbeitsweise speziell bei Krankheiten, Dysfunktionen bzw. Entwicklungs- und Alterungsprozessen zu erfahren.