Aus dem "Summer of Love" ist ernsthafte klinische Forschung geworden. Einstige Partydrogen wie LSD und Ecstasy finden sich nun in den Behandlungszimmern von Therapeuten wieder. Sie befreien Patienten von Todesängsten, Zwangshandlungen und posttraumatischem Stress.
Das Meeting in Basel fand erst zum zweiten Mal statt. Dennoch wollten mehr als 2000 Besucher aus 37 Ländern unbedingt mitbekommen, was die Stars der Szene auf der Bühne präsentierten. Und es waren keineswegs nur Jugendliche und Ex-Hippies, die sich im März dieses Jahres zum "World Psychedelic Forum" versammelt hatten. Denn was einst auf einschlägigen Parties konsumiert und wegen der Folgen verboten wurde, hat nun - wieder - Einzug in die medizinische Forschung gehalten. Halluzinogene, so der wissenschaftliche Ausdruck für LSD, Ecstasy, oder Wirkstoffe aus Zauberpilzen, lindern Depressionen, befreien von Angstzuständen und helfen bei der Überwindung von traumatischen Erlebnissen.
Klarheit gewinnen dank LSD
Forscher aus den USA waren als erste im Kampf gegen Vorurteile bei Drogenaufsicht und Ethikkommissionen erfolgreich. Nun folgen andere Länder wie beispielsweise die Schweiz. Seit knapp einem Jahr verabreicht der Psychotherapeut Peter Gasser aus Solothurn einigen Patienten LSD (Lysergsäure-diethylamid). Er wandelt damit auf den Spuren seines berühmten Landsmanns Albert Hofmann. Vor 70 Jahren synthetisierte der Mitarbeiter von Sandoz den Stoff zum ersten Mal und stellte später Experimente damit an, auch an sich selbst. Zur Geschichte gehören auch die Versuche des Harvard-Professors Timothy Leary in den 50er und 60er Jahren, der sich für den Gebrauch psychedelischer (aus dem griechischen: seelenöffnender) Drogen einsetzte und dessen Arbeit oft als unwissenschaftlich kritisiert wurde. 1966 wird die inzwischen verbreitete Droge LSD in den USA verboten.
Typisch für den LSD-Trip ist eine stark gesteigerte Wahrnehmung. Der Patient sieht sich selbst und damit seine Probleme nicht mehr aus der "Ich"-Perspektive, sondern eher "von oben". "Ich wurde wiedergeboren", erklärte Cary Grant 1959 nach einem LSD-Trip. Der Züricher Drogenforscher Felix Hasler meint: "Man kann Klarheit gewinnen und wohl auch etwas über sich selbst lernen". Neurologen sehen das nüchterner: Tryptamine wie LSD binden an spezifische Serotoninrezeptoren und stören damit den Regelkreis zwischen Kortex und Thalamus, der Wahrnehmung, Denken und Bewusstsein steuert.
Peter Gasser sieht die Möglichkeiten von LSD besonders bei Patienten, denen eine unheilbare Krankheit alle Hoffnung auf Besserung und damit ihren Lebensmut genommen hat. Bisher hat er bei seiner placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie mit zwölf Teilnehmern zwei Krebspatienten im weit fortgeschrittenen Stadium rekrutiert. Weitere freiwillige Drogentester leiden an AIDS oder fortgeschrittener Muskeldegeneration. Bisherige Erfahrungen mit der Droge beschreibt der kanadische Psychotherapeut Andrew Feldmár im britischen "Guardian": "Nach drei LSD-Behandlungen erholte sich die Patientin - sie hatte drei Selbstmordversuche hinter sich, wurde in die Klinik eingewiesen und mit Antidepressiva und -psychotika behandelt. Sie behielt ihren Job und erfreute sich wieder des Lebens. Verfluchte sie mich vorher. weil ich sie nicht sterben ließ, dankte sie mir nun für die neue Freiheit in ihrem Leben. Psychotherapie ohne LSD hätte dazu nicht gereicht".
Im Gegensatz zu Heroin oder anderen harten Drogen lösen Halluzinogene keine Sucht aus. Bei normaler Dosierung sind keine bleibende Schäden zu erwarten, erklärten Forscher 1971 in "Science". Allerdings weist Falk Kiefer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim auch auf die Gefahren hin: Etwa ein Prozent bleibt auf dem Trip "hängen", ein Drittel davon entwickelt eine dauerhafte Psychose.
Ecstasy hilft gegen Irak-Traumata
Sowohl in der Schweiz als auch in den USA, aber auch in Israel und einigen anderen Ländern experimentieren Psyhotherapeuten auch mit anderen Halluzinogenen. So behandelt Michael Mithofer in South Carolina Patienten mit post-traumatischen Belastungsstörungen, Opfer von Vergewaltigungen oder Soldaten, die im Irak gedient haben. MDMA, bekannt als Ecstasy, soll in einer Phase II-Studie seine Wirkung beweisen. Die bisherigen Erfahrung sind durchwegs positiv. Ob die Wirkung auch nach dem Absetzen anhält und welche Langzeit-Folgen zu erwarten sind, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Patienten mit Zwangsstörungen, besonders aber Angstpatienten mit tödlichen Krankheiten im Endstadium hoffen auf die Hilfe von Charles Grob in Los Angeles oder Roland Griffiths in Baltimore. Psilocybin, das Halluzinogen aus Zauberpilzen, soll sie aus ihrer Hoffnungslosigkeit befreien und ihnen zumindest die restliche Lebenszeit erleichtern.
In Deutschland haben solche Untersuchungen keine Chance, meint Falk Kiefer. Denn die Gefahr von "Flash-backs" Jahren nach der Behandlung wäre zu groß. Dabei erleben die Patienten die Reise ins Irreale noch einmal. Dieses mal unvorbereitet und ohne Therapeut, dem der Patient in der Behandlung seiner Meinung nach hilflos ausgeliefert ist. Seine amerikanischen Kollegen sehen die Situation anders: Vor kurzem erschien im Journal of Psychopharmacology ein "Sicherheitsmanual " zur Anwendung von LSD, MDMA und Co. In New York fanden die ersten Seminare zur Weiterbildung von Psychotherapeuten statt.
Bevor Peter Gasser die Genehmigung für seine LSD-Studie bekam, schrieb er an den Schweizer Innenminister Pascal Couchepin, um den politischen Widerstand gegen einst verbotene Drogen zu überwinden. Unter wissenschaftlichen Gesichtpunkten angewendet, so verlautete Couchepin, stünde einer solchen Forschung nichts im Weg. Sicher hatte diese Antwort nicht mit eigenen Erfahrungen mit solchen Substanzen zu tun, auch wenn Cary Grant schreibt: "Ich mag eigentlich keine Drogen, aber LSD hat mir gut getan. Ich finde, alle Politiker sollten LSD nehmen."