Schätze suchen gegen Depression? Warum nicht, dachten sich ein paar Schweizer Psychotherapeuten und ließen programmieren. Heraus kam das erste Computerspiel, das auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie basiert.
Computerspiele machen dumm und aggressiv, und sie bedrohen das Leben der Mitschüler. Dieses alberne Klischee hält sich hartnäckig. Doch Spielen am Rechner kann auch nutzen: Am Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich wurde jetzt ein psychotherapeutisch fundiertes Computerspiel entwickelt.
Schatz gefunden, Depression behandelt
Die Fantasie von Kindern und Jugendlichen stand klar Pate: Wer bei dem von Züricher Psychotherapeuten entwickelten Computerspiel Schatzsuche anfängt zu daddeln, der landet in einer typischen Kinderfantasie. Ein altes Segelboot, schön gezeichnet, taucht auf. Das Kommando hat Kapitän Selin. Er braucht das Kind auf der anderen Seite des Bildschirms, um eine Schatzkarte zu lesen. Dazu gilt es, eine Reihe von Aufgaben zu lösen. Bei Erfolg winkt ein Sternchen, und damit das Ganze nicht zu sehr an Schule erinnert, handelt es sich um Seesterne. Diese Seesterne werden in die Schatzkarte eingesetzt, die auf diese Weise Schritt für Schritt entziffert wird. Am Ende winkt der Schatz. Kein Zweifel: Das ist eine Handlung, in der sich Kinder wiederfinden.
„Schatzsuche“ ist nach Aussage der Initiatoren das erste Computerspiel, das auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie aufbaut. Es ist gedacht zur Unterstützung der psychotherapeutischen Behandlung von ängstlichen und depressiven Kindern, außerdem von Kindern mit aggressivem Verhalten. Die Schatzsuche per se ist natürlich nicht therapeutisch. Und auch den zu lösenden Aufgaben merkt man die Therapie zunächst nicht an – sonst würde es vermutlich auch keinen Spaß machen. Wenn Kinder lernen sollen, wie sie in bestimmten angstbesetzten oder aggressionsauslösenden Situationen vernünftig agieren, dann darf ihnen diese Lektion nicht aufgedrängt werden. Den Mahnern mit den langen Zeigefingern schreibt die Erfinderin von „Schatzsuche“, Veronika Brezinka, ins Stammbuch, dass das Spiel eine Psychotherapie natürlich nicht ersetzen kann: „Wir wollen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in ihrer Arbeit mit neun- bis dreizehnjährigen Kindern unterstützen. Schatzsuche ist jedoch kein Selbsthilfespiel.“ Um Eltern von verhaltensauffälligen Kindern gar nicht erst zu einem Versuch der Selbsttherapie zu verführen, wird das Spiel zwar gratis angeboten, aber nur an Therapeuten, die sich als solche legitimieren müssen.
Kopf und Körper profitieren – in allen Altersklassen
Na gut, werden Computerspielkritiker jetzt einwenden, ein in einer therapeutischen Sitzung als eines von mehreren Mitteln eingesetztes Computerspiel mag seinen Sinn haben. Trotzdem bleiben Computerspiele an sich böse. Stimmt so auch nicht. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass Computerspiele diverse kognitive und sensorische Funktionen verbessern können – auch und gerade die oft verdammten Ego-Shooter. So verbesserte sich bei Spielern des aufmerksamkeitsintensiven Ego-Shooters Unreal Tournament in einer Untersuchung am Lehrstuhl für Brain & Cognitive Sciences der Universität Rochester, New York, nach einigen Wochen die Sehfähigkeit um immerhin ein Fünftel. In der Kontrollgruppe wurde langweiliges Tetris gespielt, und es tat sich gar nichts. Zunehmend rücken auch Senioren in den Fokus der Spieleindustrie – und das nicht nur aber auch aus therapeutischen Gründen. So wurden Computerspiele in einer kleinen Studie der Leipziger Forschungsgruppe Senioren ans Netz für die ältere Generation nach anfänglicher Skepsis zu einem Quell an Lebensfreude. Dass „Games“ die kognitive Funktion verbessern können, ist auch kein Geheimnis mehr. Zwar gibt es noch keine Studien mit Computerspielen zur Demenzprophylaxe, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Gerade im Alter geht es bei Computerspielen übrigens um mehr als nur um die Psyche: Das Bayerische Rote Kreuz hat kürzlich die 1. Wii Sports Seniorenmeisterschaft veranstaltet, bei der sich jung gebliebene Senioren an der Spielkonsole Wii duellierten. Und wenn das die Computerspiele nicht endgültig aus der Schmuddelecke holt, dann vielleicht die im August bekannt gewordene Ankündigung des Deutschen Kulturrats, den Bundesverband der Entwickler von Computerspielen in seine Reihen aufzunehmen…