Blutdruckpillen ade? Wenn es nach der Medizinischen Hochschule Hannover geht, dann wird das Konzert der antihypertensiven Therapie zumindest vielstimmiger. Die Experten dort testen jetzt den ersten Schrittmacher gegen zu hohen Blutdruck. Parallel dazu läuft eine große Impfstudie.
Seit der Einführung der Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems ist der Hypertensiologen-Community in Sachen Therapie-Innovationen ein wenig der Sprit ausgegangen - sieht man einmal von der schon seit Jahrzehnten diskutierten direkten Renin-Hemmung ab, deren Stellenwert im therapeutischen Kanon noch mehr als unklar ist. Doch jetzt steht offensichtlich ein neuer Innovationsschub bevor: Wo die medikamentöse Pharmakotherapie ausgereizt ist, wollen sich die Hersteller von Medizingeräten und von Impfstoffen ihren Teil am riesigen Kuchen der Hochdrucktherapie sichern. Es geht alleine in Deutschland um mehr als 16 Millionen Menschen. Weltweit schätzen die Hochdruckligen die Zahl der Betroffenen auf etwa eine Milliarde. Höchstens jeder vierte ist adäquat therapiert.
So tun als ob: Schrittmacher massiert den Carotis-Sinus
Ändern könnte sich das mit einem neuen Schrittmacher, der den Blutdruck absenkt, indem er die Blutdrucksensoren in den Carotiden stimuliert. Das Gehirn lässt sich dadurch wunderbar verschaukeln: Es denkt, dass der Blutdruck viel zu hoch sei und lässt Gegenregulationsmechanismen anlaufen, die den Druck absenken. Der Schrittmacher ist demnach eine etwas sanftere Variante jenes K.o.-Griffs an die Halsschlagadern, den Medizinstudenten im Physiologiekurs lernen, wenn sie ihn nicht schon aus dem Selbstverteidigungsunterricht kennen. An der Medizinischen Hochschule Hannover wurden jetzt erstmals in Deutschland acht Patienten mit einem solchen Schrittmacher ausgestattet. "Wir implantieren das Gerät unter das Schlüsselbein und führen die Aktivierungsdrähte dann zu den beiden Halsschlagadern", beschreibt Dr. Andreas Pichlmaier von der Klinik für Herz-/Thorax- und Gefäßchirurgie das Vorgehen. Anders als eine herkömmliche Schrittmacherimplantation ist der Eingriff recht aufwändig: Zwei bis vier Stunden seien nötig, so Pichlmaier, weil die Position der Elektroden intraoperativ getestet werden muss. Die endgültige Einstellung erfolgt dann von außen per Funk. Internationalen Daten zufolge können die Schrittmacher bei einigen Patienten den Blutdruck um bis zu 100mH absenken. In einer europaweiten Studie mit 35 Patienten wurden im Mittel 30 mmHg erreicht. "Bei uns konnte der Blutdruck bei einer Patientin, die die Therapie mit fünf Medikamenten nicht vertragen hatte, dauerhaft um 60 bis 70 mmHg verringert werden", betont MHH-Arzt Dr. Jan Menne. Zugelassen ist das Gerät freilich noch nicht. Der Hersteller, das US-Unternehmen CVRx, plant für das Rheos Baroflex Hypertension Therapy System gerade eine Zulassungsstudie mit 300 Patienten. Hier interessiert vor allem die Dauertherapie, denn immerhin ist es denkbar, dass sich der Körper an die Stimulation rasch adaptiert, weil er merkt, dass sie mit der Realität nichts zu tun hat.
Angiotensinhemmung einmal anders
Sollte sich der Schrittmacher als nicht praktikabel erweisen, steht mit einer Impfung gegen Bluthochdruck seit einiger Zeit ein zweiter Hoffnungsträger in den Startlöchern. Der etwas fantasielos AngQb genannte Impfstoff wurde von dem Schweizer Biotech-Hersteller Cytos entwickelt und gehört zu einer "Immunodrugs" genannten Impfstoffklasse, für die Cytos kürzlich eine Kooperationsvereinbarung mit dem Unternehmen Pfizer unterzeichnet hat. Das verimpfte Agens von AngQb ist das den Blutdruck steigernde Angiotensin II, das in diversen Kopien auf die Oberfläche eines virusähnlichen Partikels montiert wird. Der Körper bildet gegen die verimpfte Variante des Angiotensin II spezifische Antikörper, die auch an körpereigenes Angiotensin II binden, es neutralisieren und entsprechend den Blutdruck absenken. Der Impfstoff wird jetzt in einer bundesweiten Studie bei achtzig Patienten untersucht. Auch hier hat die MHH die Federführung und wird selbst zwanzig Patienten betreuen.
Viele Fragen sind noch offen
Professor Hermann Haller, Chef der MHH-Klinik für Nephrologie und Hypertensiologie, setzt große Hoffnungen in die Impfung: "Unser Ziel ist es, mit der Impfung Medikamente zu ersetzen. Wir hätten dann eine ganz neue Form der Behandlung. Die Patienten müssten nicht regelmäßig ihre Medikamente einnehmen, sondern wären mit einer einzigen Impfung für einen längeren Zeitraum geschützt." Das wäre der Idealfall, der natürlich nicht zwangsläufig eintreten muss. Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Pharmazeutischer Chemiker an der Universität Frankfurt, warnt jedenfalls vor zu viel Euphorie: "Die Datenlage ist noch sehr dünn. Viele Fragen sind ungeklärt, darunter die optimale Dosierung und die Konsequenzen auf den Salz- und Wasserhaushalt. Auch wie lange die Wirkung der Impfung anhält, wissen wir noch nicht.", so der Experte im Gespräch mit dem DocCheck Newsletter.