Deutschen Transfusionszentren gehen langsam aber sicher die Reserven aus. Um eines Tages nicht völlig auf dem Trockenen zu sitzen, müssen Ärzte blutsparender operieren - oder auf Blut aus dem Labor vertrauen.
Auf die Frage, was sich mit embryonalen Stammzellen anfangen läßt, wäre es die vielversprechendste Antwort. Für Blutspendedienste bedeutet die Meldung in der Hämatologie-Fachzeitschrift "Blood" vielleicht einmal einen vollständigen Wandel ihrer Tätigkeit. Einem Forscherteam der amerikanischen Stammzell-Biotechfirma Advanced Cell Technology (ACT) gelang es zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Chicago und der Mayo Klinik, rote Blutkörperchen aus embryonalen Stammzelllinien herzustellen. Richtig überrascht waren Biotechnologen, als sich die Zellen - anders als in früheren Arbeiten - selber entkernten und damit zu richtigen Erythrozyten wurden. Nur wenn die DNA im Zellkern nicht mehr für weitere Teilungen sorgen kann, entfällt auch das Risiko einer Entartung zur Krebszelle. Auch das Risiko, unerwünschte Viruspartikel freizusetzen, ist bei den kernlosen roten Zellen sehr gering. "Wir können zur Zeit 10 bis 100 Milliarden rote Blutkörperchen aus einer Kulturplatte mit Stammzellen gewinnen", berichtet Shi-Jiang Lu von ACT. "Mit einer Stammzelle mit der Blutgruppe "0" könnten wir 'universelles Donorblut' herstellen." Ganz soweit ist es aber noch nicht. Zwar besitzen die Erys aus der Zellzucht nahezu die gleiche Sauerstoff-Kapazität wie ihre natürlichen Verwandten. In vielen Aspekten ähneln sie jedoch immer noch embryonalen Zellen und sind auch etwas größer als die im Körper gereiften Luft-Transportvehikel. Damit könnten sie enge Kapillaren blockieren. Schließlich gibt es zur Zeit keine Stammzellline mit der Blutgruppe "0", die für die Produktion universeller Erythrozytenkonzentrate in Frage käme. Trotzdem plant die Firma demnächst erste Tierversuche mit dem neuen Kunstblut.
Mangelware: Jugendliche Blutspender
Die Ergebnisse aus den USA waren auch ein Gesprächsthema beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie vor kurzem in Düsseldorf. Die aktuellen Probleme werden die Retortenzellen aber so schnell nicht lösen. Denn die Lager für Blutkonserven leeren sich schneller, als sie aufgefüllt werden können. Das verdeutlicht eine Studie von Andreas Greinacher und seinen Kollegen von der Universität Greifwald. Dementsprechend werden im Jahr 2015 30 bis 35% zuwenig Blutkonserven in den Kühlräumen bereitstehen. Der Grund liegt in der Bevölkerungsentwicklung. Junge regelmäßige Blutspender sterben aus. Blutspenden scheint bei den Studenten oder Auszubildenden nicht mehr en vogue zu sein. Gleichzeitig steigt der Bedarf von derzeit etwa 4,5 Mio Konserven pro Jahr stetig, vor allem bei komplizierten Operationen älterer Patienten. Allein die Anzahl der Herzoperationen bei über 80-jährigen hat sich in den Jahren zwischen 1990 und 2002 versechsfacht.
"Wir haben jetzt zehn bis fünfzehn Jahre, um zu reagieren" warnte Greinacher in Düsseldorf. Um dem Engpass zu entkommen, hilft wohl nur ein Lösungsweg, der sowohl beim Spenden als auch beim Verbrauch ansetzt. Bekäme die Blutbank statt 80 Euro den im Ausland üblichen doppelten Betrag, könnte man mit Werbung und Verbesserung der Umgebung bei der Blutspende wesentlich mehr Willige anlocken. Damit gelang es etwa der Uniklinik Giessen, die Zahl der Blutspenden nahezu zu verdoppeln. Denn selbst wenn die Zucht von Erythrozyten aus Stammzellen in einigen Jahren erfolgreiche Tests am Menschen hinter sich hat, wird sich Preis nicht auf das Niveau freiwilliger Spender drücken lassen. Zu teuer sind die benötigten Wachstumsfaktoren für die Stammzell-Kultur.
Je frischer, desto sicherer
Zahlreiche Studien zeigen, dass Konservenblut, besonders schon etwas abgelagertes, das Risiko eines vorzeitigen Todes deutlich erhöht. Eine britische Studie bezifferte das Risiko, nach einer Herzoperation mit Transfusion im folgenden Monat zu sterben auf das sechsfache im Vergleich zur OP ohne Fremdblut. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Hülle der Erythrozyten schon Stunden nach der Spende ihre Elastizität verliert. Innerhalb kurzer Zeit sinkt auch der Sickstoff-Monoxid (NO) Spiegel in der Blutkonserve stark ab. Das Signalmolekül sorgt für eine Erweiterung der Gefäße. Wenn Blutkonserven, dann also möglichst frisch aus der Produktion von Knochenmark - oder aus Biotech-Kulturgefäßen. In Amerika unterstützt das Militär die Entwicklung von Kunstblut, um im Notfall auch fern dem nächsten Lager für Blutkonserven verwundete Soldaten zu versorgen. Ein treffender Projektname für die Erythrozyten-Zucht ist auch schon gefunden: Blood-Pharming.