Am 1. März sollen die AOK-Rabattverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren im Kraft treten. Der Branchenverband Pro Generika warnt vor einem Ausschreibungschaos und daraus resultierenden Lieferengpässen bei häufig verschriebenen Medikamenten.
Die AOK hält für Apotheker und pharmazeutische Industrie ein hübsches Weihnachtsgeschenk bereit: Etwa Mitte Dezember, so die Einschätzung von Peter Schmidt, Geschäftsführer von Pro Generika, wird die AOK bekannt geben, mit welchen Generikaherstellern sie die Rabattverträge für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 abschließen wird. Gerade für die Anfangszeit der Rabattverträge zeichnet Schmidt im Gespräch mit den DocCheck News ein düsteres Bild: "Die Apotheken haben in den letzten Jahren immer wieder leidvolle Erfahrungen gemacht - besonders mit den Lieferdefekten in 2007. Die ersten Rabattverträge der AOK sind ja auch im großen Stil anfänglich nicht beliefert worden. Es gab Lieferdefekte bis weit ins Jahr 2007 hinein, die so genannte Friedenspflicht endete erst am 30.09.2007. Bis dahin haben die AOKen die Apotheken nicht regressiert, die nicht in der Lage waren, die rabattierten Produkte auszuliefern."
Auf dem Rücken von Apothekern und Kunden
Laut Schmidts Einschätzung wird sich dieser Effekt wiederholen, und die Leidtragenden werden besonders die Apotheker sein, wenn Anfang März die Apotheken voller Kunden stehen, die einen erheblichen Erklärungsbedarf mit sich bringen: Warum ist das mir von meinem Arzt verschriebene Medikament nicht vorrätig? Wann bekomme ich es, wo kann ich es jetzt sofort bekommen? Schmidt rät den Apothekern, sich und ihr Personal darauf vorzubereiten, in ganz erheblichem Umfang wieder mit verunsicherten, und sicher auch mit verärgerten Kunden zu tun zu bekommen: "In der Apotheke wird sich der ganze Unmut über das, was die AOK veranstaltet, entladen. Die Zeche zahlen also letztendlich die Kunden, respektive die Patienten - und die Apotheker mit ihren Angestellten."
Aufteilung in fünf Gebietslose
Besonders bei den häufig verschriebenen Medikamenten wird es, bedingt durch die extrem kurze Vorbereitungszeit von weniger als zwei Monaten, aller Voraussicht nach zu Lieferengpässen kommen. Um welche Präparate es sich dabei handelt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht genauer zu definieren. „Das ist davon abhängig, welcher Hersteller für welches der fünf Gebietslose den Zuschlag erhält“, so Schmidt. Für jede Substanz wird es fünf so genannte Gebietslose geben, in denen jeweils rund 4,5 Millionen AOK-Versicherte leben. So soll gewährleistet werden, dass auch kleinere Pharmaunternehmen mitbieten können. Der AOK war durch das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom Februar dieses Jahres auf- und vorgegeben worden, die Bundesrepublik geographisch in diese Gebietslose aufzuteilen, für die jeweils unabhängig voneinander Zuschläge an die Hersteller erteilt werden. „Ob die AOK aufgrund dieses Urteils aber tatsächlich verpflichtet ist, pro Gebiet nur einen Anbieter zu berücksichtigen, wage ich gelinde gesagt zu bezweifeln. Ich glaube, dass das Vergaberecht auch die Vergabe an mehrere Bieter respektive Hersteller zulässt. Damit würde die Gefahr von Engpässen natürlich deutlich verringert werden“, kritisiert Schmidt die Pläne Deutschlands größter Krankenkasse.
Knackpunkt Verpackung und Waschzettel
Erst in dem Moment, in dem die AOK den Zuschlag erteilt, können die Hersteller mit ihren Vorbereitungen zur Belieferung des Gebietsloses beginnen. Die nachgefragten Medikamente in ausreichender Menge zu beschaffen ist nach Ansicht Schmidts noch der einfachere Teil des ganzen Unternehmens : "Schwierig wird es bei der Herstellung und Belieferung mit den Blistern, auf denen ja Hersteller, Wirkstoff und Mengenangabe stehen muss. Es sind ja schließlich nicht tausend Tonnen Kohle, die da ausgeschüttet werden müssen, sondern Arzneimittel bzw. deren Verpackungen, bei denen sämtliche Arzneimittelrechtlichen Spezifikationen berücksichtigt werden müssen." Der Geschäftsführer von Pro Generika sieht im Zusammenhang mit der Belieferung von Arzneimittelverpackungen weitere organisatorische Schwierigkeiten: "Die Packungsbeilage muss individuell für den Hersteller angefertigt und gedruckt werden - und die Zahl der Druckereien, die die Waschzettel drucken, ist relativ gering. Selbst wenn dieser Prozess halbwegs reibungslos über die Bühne gehen sollte, wird es spätestens bei den Faltschachteln zum Engpass kommen, berücksichtigt man die vielfältigen Angaben, die darauf abgedruckt werden müssen - inklusive Blindenschrift." Mit einer Vorlaufzeit von sechs bis acht Wochen seien diese Hürden nicht zu nehmen, konkretisiert Schmidt die Befürchtungen der im Verband Pro Generika zusammengeschlossenen Hersteller.