Gelingt es Paaren nicht, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, kann es an der Spermienqualität liegen. Bioingenieure stellen jetzt ein Tool für den Heimgebrauch vor, das Mobiltelefone zum Mikroskop werden lässt und eine Genauigkeit von 98 Prozent verspricht.
Laut Manoj Kumar Kanakasabapathy, Boston, haben bis zu zwölf Prozent aller Männer aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit ihrer Fruchtbarkeit. Hadi Shafiee, ebenfalls Boston, spricht bei der Diagnostik von „hohen Hürden“: Männer müssen zur Klärung in eine Praxis oder in ein Klinikum. Sie sehen sich mit Peinlichkeiten konfrontiert, warten angespannt auf Resultate und erleben ein Wechselbad der Gefühle. Grund genug für Ärzte und Ingenieure der Harvard Medical School, einen Fruchtbarkeitstest für den Hausgebrauch zu entwickeln – „ähnlich preisgünstig und leicht anzuwenden wie kommerzielle Schwangerschaftstests“.
Für ihren Prototypen haben Experten eine preisgünstige optische Komponente entwickelt. Ihr Tool wird einfach am Smartphone befestigt. Die Spermaprobe selbst muss nicht weiter aufbereitet werden. Es reicht aus, etwas Ejakulat auf den Einmalchip zu tropfen. Anschließend schieben User den Träger in die optische Einheit. Per App werden sie durch den gesamten Vorgang geleitet, was Anwendungsfehler minimiert. Das kleine Programm aktiviert die Smartphone-Kamera und bestimmt über weitere optische Komponenten die Beweglichkeit von Spermien. Als Messzeit nennt Shafiee maximal fünf Sekunden. Er gibt rund vier Euro für die gesamten Materialkosten an. Probenvorbereitung und Messung (A) sowie die optische Komponente für Smartpones (B/C). In der Mitte: Arbeiten im diagnostischen Labor. © Science Translational Medicine
Im nächsten Schritt gingen Kanakasabapathy und Shafiee der Frage nach, wie genau ihr System überhaupt funktioniert. Als Grundlage dienten 350 Spermaproben von freiwilligen Probanden ohne weitere Selektion. Ihre Messungen verglichen die Forscher mit etablierten Methoden, also der manuellen oder computergestützten Beurteilung, als Goldstandard. Mit einer Genauigkeit von 98 Prozent entdeckte ihr Smartphone-Tool Proben, die weniger als 15 Millionen Spermien pro Millimeter beziehungsweise weniger als 40 Prozent bewegliche Spermien enthielten. Jetzt will das Team eine Zulassung bei der FDA beantragen.
Vom Erfolg angespornt, sehen die Entwickler weitere Einsatzmöglichkeiten. Dazu gehören Kliniken in Regionen mit schlechter medizinischer Infrastruktur. Um die Spermienzahl oder -qualität zu bestimmen, werden vor Ort oft manuelle Methoden verwendet. Haben Kollegen wenig Routine, kann das zu Misserfolgen führen – besonders fatal bei der Nachkontrolle von Vasektomie-Patienten. Das Smartphone-Tool erfordere keine medizinische Ausbildung, sondern nur etwas technisches Grundverständnis, schreiben die Entwickler.