Eine neue Initiative von Patientenorganisationen und Big Pharma strebt einen Relaunch der Packungsbeilagen von Medikamenten an. Zeit wurde es, denn eine Umfrage belegt: Eigentlich versteht kein Mensch, was drin steht im Waschzettel.
Aktuelle Daten zum Thema Beipackzettel für Fortgeschrittene lieferte kürzlich die Bertelsmann Stiftung. Sie hat im Rahmen ihres jährlichen Gesundheitsmonitors Patienten befragt, ob und wenn ja was sie mit den Beipackzetteln von Arzneimitteln anfangen können. Wenig überraschend korreliert das Verstehen mit der Ausbildung: Die Hälfte der Befragten mit Hauptschulabschluss gab an, Arzneimittelinformationen in Beipackzetteln „beängstigend“ zu finden. Dasselbe meint jeder dritte mit Realschulabschluss und immerhin jeder fünfte Abiturient. Dass das nicht unbedingt die optimalen Ausgangsbedingungen für hohe Compliance und guten Therapieerfolg sind, liegt auf der Hand.
Beipackzettel empfiehlt: Messbecher neben die Toilette!
Auch Ärzte der Universität Freiburg haben sich des Beipackzettels angenommen und im Sommer in 17 Arztpraxen knapp dreihundert Patienten befragt. Sie wollten wissen, wie viele der in Beipackzetteln vorkommenden Fachausdrücke Otto Normalpatient geläufig sind. Dazu gaben sie den Teilnehmern Fragebögen mit Fachbegriffen aus den Beipackzetteln jener Medikamente, die sie einnahmen. Das Ergebnis: Im Mittel wird nicht einmal jeder vierte Fachausdruck verstanden. Und mit einer ganzen Reihe von Begriffen wie etwa Nephropathie, Adjuvans oder Dyspnoe konnte überhaupt niemand etwas anfangen.
Ludwig Hammel, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew, wundert das gar nicht: „Wenn ein Patient einen Beipackzettel liest, dann stößt er immer wieder auf Wörter oder Aussagen, bei denen er sich fragt: Was will mir das jetzt sagen?“, so Hammel. Als Beispiel zitiert er aus einer wahllos herausgegriffenen Packungsbeilage einen Hinweis zum Thema Flüssigkeitsaufnahme: Erwachsene, heißt es dort, sollten ausreichend Flüssigkeit einnehmen, Ziel seien mindestens 1200ml Harnmenge pro Tag. Hammel: „Was heißt das? Soll ich das jetzt messen oder wie?“ Derartige Beispiele gibt es unzählige. Und weil das so ist, haben sich mehrere Patientenorganisationen vor einigen Jahren mit dem Unternehmen Pfizer zusammengesetzt, um einen patientenfreundlicheren Beipackzettel zu schaffen. Die ersten acht überarbeiteten Waschzettel wurden jetzt in Berlin präsentiert. Und in der Tat: Sie sind ein Fortschritt.
Layout und Inhalt wurden überarbeitet
„Wir haben zunächst einmal am Layout gearbeitet“, sagte Melanie Kunz, Manager Patient Relations bei Pfizer. Statt der üblichen Schriftgröße 6.0 wurde immerhin 8.5 gewählt. Den Überschriften gönnt man sogar eine 9.0. Insgesamt wirkt die Gestaltung wesentlich aufgelockerter. Zur Orientierungshilfe gibt es Piktogramme, zum Teil auch Fotos. Und farblich hinterlegte Kästen weisen auf Gefahren hin oder geben spezielle Informationen, etwa zur Entsorgung von Subkutanspritzen oder zur Injektionstechnik. „Bisher ist es oft so, dass gerade die wirklich wichtigen Informationen überlesen werden, beispielsweise die maximale Tagesdosis. Das wollten wir ändern“, so Hammel. Geändert wurde auch der ganze sprachliche Stil des Beipackzettels. So werden medizinische Fachbegriffe nur in Klammern gesetzt, man bemüht sich sehr um laienverständliche Ausdrucksweise. „Wir wollten, dass die Ärzte ihre Begriffe noch wieder finden, damit sie sich zum Beispiel im Notdienst rasch orientieren können. Grundsätzlich lautete das Motto aber stets: Der Patient zuerst“, betonte Kunz.
Problem: Wie wird aus einer Initiative eine Bewegung?
Klar ist, dass diesen Initiativen nur dann dauerhafter Erfolg beschieden sein wird, wenn es gelingt, sie auszudehnen. Zunächst einmal müssen die Behörden mit ins Boot, namentlich das BfArM. Einer der überarbeiteten Beipackzettel für ein subkutanes Heparin von Pfizer hat bereits den BfArM-Segen bekommen. Demnächst wird es ein Treffen zwischen der Initiative und der BfArM-Geschäftsführung geben, um zu sondieren, inwieweit Standards geschaffen werden können, die dann auch anderen Unternehmen zugänglich sind. Problematischer wird es bei Medikamenten, die nicht national, sondern europäisch zugelassen werden. Denn hier haben dann auch noch die europäischen Behörden und deren Beipackzettelregularien ein Wörtchen mitzureden. „Wir werden in jedem Fall alles tun, damit diese Initiative auf breitere Füße gestellt wird“, so Hammel.