Eine amerikanische Studie belegt, dass Patienten mit Hilfe eines Diät-Tagebuchs doppelt so viele Kilos verlieren wie Menschen, die ohne logistische Schützenhilfe ihre Pfunde vernichten wollen. Macht Schreiben schlank?
Was die 1.700 teilnehmenden Übergewichtigen ausmachte, war nicht nur ein durchschnittliches Körpergewicht von 212 Pfund, sondern auch der Wille, im Rahmen der Studie deutlich abzunehmen. Dazu befolgten sie die Anordnungen der Ärzte: Sowohl die strikte Reduzierung der aufgenommenen Energiemenge um 500 Kalorien pro Tag, als auch 30 Minuten Bewegung und die Teilnahme an Gruppengesprächen standen auf dem Diät-Programm. Dabei gingen die instruierenden Ernährungsmediziner nach dem DASH-Diätplan vor, empfahlen also vorwiegend Früchte, Gemüse, wenig Fett. Für Studienleiter Victor Stevens vom Kaiser Permanente Center for Health Research in Portland stand schnell fest: Die kulinarischen Aufzeichnungen haben es in sich. Fulminante acht Kilogramm an Körpergewicht schmolzen im Durchschnitt bei den schreibenden Probanden dahin, wer sich hingegen lediglich auf den eigenen Willen verließ, musste am Ende der rund 20-Wochen andauernden Studie mit vier Kilogramm Gewichtsverlust klarkommen. Die von der National Institutes of Health (NIH) mitfinanzierte und im August 2008 veröffentlichte Untersuchung ließ in den USA sogar die Finanzkrise für kurze Zeit in Vergessenheit geraten. TV-und Radiosender zeigten sich begeistert, selbst das ehrwürdige Nachrichtenmagazin TIME widmete der Tagebuch-bedingten Kalorienschmelze eine ganze, wenn auch eher humorvoll gehaltene Seite.
Schneller Eintrag als Erinnerungsstütze
Dabei gelten die Ergebnisse aus medizinischer Sicht als wichtiger Schritt zur Etablierung von erfolgreichen Diäten im Alltag. Denn das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ließe sich mit Hilfe von täglichen Einträgen ins eigene Tagebuch bei jenen übergewichtigen Patienten senken, die mit herkömmlichen Diäten nur unzureichend abnehmen. Grund dazu bestünde allemal, wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung demonstriert: „Allein der Anteil der Herz-Kreislauf-Medikamente beträgt rund ein Viertel der gesamten Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung“, heißt es auf den Internetseiten des Ministeriums, und: „Zu den Ausgaben für Diagnostik und Behandlung kommen noch die Aufwendungen für die Rehabilitation der Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten, die nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus weiterhin betreut werden müssen, hinzu“. Die Idee, mit Tagebüchern gegen die Todesursache Nummer 1 vorzugehen ist nicht neu. Schon im Jahr 2002 empfahlen amerikanische Mediziner im Rahmen der so genannten Weight Management Initiative (CMI) die Einführung eines Ernährungstagebuchs. Doch die von Ärzten, Politikern, Wissenschaftlern und Klinikern gleichermaßen unterstütze Forderung galt bis vor zwei Monaten lediglich als eine von weltweit unzähligen Diätstrategien – und blieb auf Grund fehlender Studiendaten international wenig beachtet.
Blick ins Tagebuch erinnert an die „Sünden“
Dass aber Menschen, die den Konsum von Gummibärchen, Salzstangen und Steaks akribisch aufzeichnen, doppelt so viel abnehmen, wie ihre nicht aufzeichnenden Pendants, hat jetzt seine wissenschaftliche Basis gefunden – und eine Erklärung dazu. Womöglich blendet das Gehirn die Erinnerung an unliebsame, weil kalorienhaltige Nahrungsmittel unter normalen Bedingungen einfach aus. Die Folge: Man nimmt immer wieder die gleichen Kalorienbomben zu sich. Erst der Blick ins Tagebuch erinnere hingegen an die begangenen Ernährungssünden des Tages, und hemme dadurch den weiteren Appetit, glauben die Studienautoren . Muss demnach der Arzt in Zukunft für die erfolgreiche Diät seiner Patienten vorgedruckte Erfassungsbögen verteilen? Mitnichten, wie Keith Bachman, Mitglied der CMI erklärt: „Der Patient kann sich nach jeder Mahlzeit auch eine email mit der Auflistung der soeben verzehrten Nahrungsmittel zusenden“.
Tipp: Wer seinen Patienten Erfassungsblätter für das Ernährungstagebuch mit auf den Weg geben mag, findet hier die Originalvorlage aus Portland.