Apotheker können von Erkenntnissen aus dem Einzelhandel nachhaltig profitieren. Ordnen sie beispielsweise Artikel anhand von Kundenbedürfnissen nach Warengruppen, erhöht sich ihr Umsatz deutlich. Ein Experte zeigt, wie das in der Praxis funktioniert.
„Category Management ist ursprünglich aus einer sich verändernden Marktsituation heraus entstanden“, so Burkhard Elberg, Senior Manager Training Category Management & Shopper Marketing bei GS1 Germany. Plötzlich saßen Einzelhändler und Hersteller an einem Tisch, um gemeinsam zu überlegen, was sich Kunden eigentlich wünschen. Elberg: „Genau in dieser Situation befinden sich mittlerweile auch Apotheken.“ Hermann Gröhes Rx-Versandverbot ist nach Koalitionsgesprächen in weite Ferne gerückt – und alternative Szenarien, die eigenen Zahlen zu verbessern, wären wünschenswert.
Burkhard Elberg © GS1 Germany Apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel machen mit 9,4 beziehungsweise 0,6 Prozent des Umsatzes zwar keinen Löwenanteil aus. Bislang ungenutzte Potenziale gebe es Elberg zufolge aber trotzdem. „Apotheker und Hersteller sollten gemeinsam versuchen, die Aufmerksamkeit ihrer Kunden zu gewinnen“, sagt der Experte. Untersuchungen zufolge steuern fast alle Konsumenten schnurstracks den HV-Tisch an. Sie lieben Effizienz anstelle einer unüberblickbaren Vielfalt. Bei einer Aufenthaltsdauer von vier bis fünf Minuten (46 Prozent) oder bis zu zehn Minuten (23 Prozent) zählt jede Sekunde. Gelingt es, hier für den Kunden relevante und attraktive Angebote zu platzieren, die nicht auf dem Einkaufzettel standen, haben Inhaber und Industriepartner schon viel gewonnen. Um Interesse zu wecken, lohnt sich ein Blick durch die Brille möglicher Zielgruppen. Eine Möglichkeit kann es sein, sowohl in der Freiwahl als auch in der Sichtwahl Produkte anlassbezogen zu platzieren. Leiden Patienten beispielsweise an einer Erkältung, finden sie Schmerzmittel, Nasensprays, Tees, aber vielleicht auch Wärmflaschen oder Badezusätze – je nach Spektrum der Apotheke.
Der ECR D-A-CH-8-Schritte-Prozess © GS1 Germany Was auf den ersten Blick recht einfach wirkt, entpuppt sich in der Praxis als deutlich komplexer. Beim Category-Management-Modell gibt es beispielsweise einen (CM)-8-Schritte-Prozess, der bei der Umsetzung hilft. Elberg: „Das pragmatische Stufenkonzept ermöglicht es, auch kleinen und mittleren Unternehmen wie Apotheken, ihr Warenangebot und die Produktpräsentation kosteneffizient auf Kundenbedürfnisse auszurichten. Der Plan beschreibt alle Schritte des CM-Prozesses – von der strategischen Abstimmung mit dem Industriepartner bis hin zur nachhaltigen Umsetzung und Erfolgsmessung.“ Konkret werden die Teilprozesse wie folgt definiert: 0: Strategische Vorüberlegungen. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung ist die Abstimmung beteiligter Unternehmen über ihre strategische Ausrichtung, über Ziele und Inhalte einer Kooperation. Wo steht die Apotheke? Welche Kernkompetenzen sind vorhanden? Welche Zielgruppen sind schon heute relevant oder sollen künftig besser erschlossen werden? Wie möchte sich die Apotheke von Konkurrenten im Markt differenzieren? Wer stellt welche Ressourcen und Daten für die Zusammenarbeit zur Verfügung? 1: Welche Kategorien sollen bearbeitet werden? Welche Produkte gehören aus Sicht des Kunden in diese Warengruppe – und welche nicht? Hier spielen zum Beispiel saisonale Themen wie Erkältung/grippale Infekte, Allergien oder Urlaub eine zentrale Rolle. Spezielle Aspekte, etwa Mutter und Kind, Männergesundheit, Sportler, Diabetiker oder Senioren, können je nach Fokus mit hinzukommen. 2: Rolle der jeweiligen Kategorie. In diesem Schritt geht es darum, die Bedeutung einer Kategorie festzulegen. Inwieweit dient sie der Differenzierung zum Wettbewerb und bekommt besondere Aufmerksamkeit? Handelt es sich um eine „Standard-Warengruppe“ oder wird sie lediglich ergänzend zur Abrundung des Gesamtsortiments geführt? Entsprechend werden unter anderem Sortimentsumfang, Sichtbarkeit der Platzierung und Intensität der Vermarktung ausgesteuert. 3: Bewertung der Kategorien. Aktuelle Abverkaufszahlen liefert das apothekeneigene Warenwirtschaftssystem. Wer Business-Intelligence-Module erwirbt, hat auch Zugriff auf anonymisierte Daten der Partnerapotheken und kann Trends identifizieren. Bei diesem Prozessschritt geht es vor allem darum, Wachstumspotenziale für die eigene Apotheke zu identifizieren. 4: Ziele definieren. Falls es in den letzten Jahren bereits lineare Umsatzsteigerungen gab, wird ein Ziel sein, besser abzuschneiden als ohne CM. Apothekenleiter könnten sich auch am generellen Wachstum des Pharmamarkts orientieren. Zu Beginn eigener CM-Aktivitäten wird es schwer sein, hier mit konkreten Zahlen zu arbeiten. 5: Marketing-Strategien ausarbeiten. Kunden erfahren kaum von der schönen neuen Produktvielfalt, wenn Inhaber sie nicht direkt kontaktieren. Events, Postwurfsendungen, Newsletter, aber auch Social Media leisten einen Beitrag, um Kunden zu einem Besuch der Apotheke zu bewegen oder um ein besonderes Image als spezialisierte Apotheke aufzubauen. 6. Eine Taktik festlegen. Mit welchen Maßnahmen werden die definierten Strategien umgesetzt? Wie müssen Sortiment, Platzierung, Preis und Promotion verbessert werden, um die vorhandenen Potentiale zu heben? Beraten pharmazeutische Fachkräfte zu unterschiedlich, verwirrt das Kunden nur. Es lohnt sich, zumindest grob – ohne Approbierte als Heilberufler einzuschränken – einen Rahmen abzustecken. Das betrifft sowohl OTCs alleine als auch Zusatzempfehlungen, sollten Patienten Rx-Präparate benötigen. Letztlich tragen Angestellte das CM-Projekt. 7. Einen Plan mit Maßnahmen festlegen. Besuchen Mitarbeiter vorab eine Schulung? Sind bauliche Änderungen an der Offizin vorzunehmen? Zu welchem Zeitpunkt läuft das Marketing an? Wer übernimmt welche Aufgabe? Auch hier gibt es viel zu tun. 8. Überprüfung. Vielleicht geht die CM-Strategie sofort auf. Möglicherweise ist eine Kategorie auch erfolgreicher oder läuft besser als ursprünglich erwartet. Dann geht es wieder zurück auf Los, zu Punkt 1. Prioritäten lassen sich neu setzen, was letztlich auch die Preiskalkulation betrifft.
Alles in allem bedeutet der CM-8-Schritte-Prozess viel Arbeit. Apothekenleiter sind nur bereit, den Aufwand in Kauf zu nehmen, falls sich ihre Bilanzen am Ende des Tages verbessern. Dazu Elberg: „Die Wachstumsraten bewegen sich beim CM selten unter drei Prozent, können aber durchaus im zweistelligen Bereich liegen.“ Bei einem früheren Modellprojekt mit drei Nürnberger Apotheken erhöhte sich der Umsatz in der Sichtwahl um 7,5 bis 9,4 Prozent, verglichen mit minus 0,3 Prozent für den Gesamtmarkt. Der Freiwahl-Umsatz ging um 2,9 bis 26,2 Prozent nach oben. Hier lag die bundesweite Richtschnur bei 1,0 Prozent. Gleichzeitig fühlten sich Konsumenten subjektiv wohler als bisher. Aus Laufkunden wurden Stammkunden.