Zitternd hielt Ulrike den Schwangerschaftstest in der Hand. Drei Minuten können manchmal verdammt lang sein! Anstatt auf der Semesterabschlussparty ihre Scheinfreiheit zu feiern, wartete sie mit pochendem Herzen auf das Testergebnis.
Dann sah sie ihn – den zweiten rosafarbenen Strich. Sie war schwanger und das, wo schon bald ihr Praktisches Jahr beginnen sollte. Und nun?
Das Praktische Jahr ist für viele der lang ersehnte Abschluß des oftmals viel zu theoretischen Studiums. Man ist nicht mehr nur Medizinstudent, sondern wird in die alltäglichen Arbeiten des Arztes mit eingebunden. Manchmal sogar mehr als einem lieb ist. Zu den klassischen Aufgaben eines PJlers zählen das Blut abnehmen, Venenverweilkanülen legen, Fäden und Drainagen ziehen und das berühmte Haken halten im OP.
Die Aufgaben eines PJlers sind nicht genau festgelegt. Sie hängen vielmehr mit dem persönlichen Engagement zusammen, welches der Jungmediziner auf „seiner“ Station zeigt. Daher gibt es auch keine genauen Richtlinien, welche Tätigkeiten schwangere PJlerinnen übernehmen müssen oder ablehnen dürfen.
Sicher ist allerdings, dass Schwangere alle Aufgaben ablehnen dürfen, die ein erhöhtes Infektionsrisiko bergen. Dazu zählen das Blut abnehmen, Viggos legen, aber auch das Nähen von Wunden. Ebenfalls ablehnen kann man die Versorgung von Patienten mit Infektionskrankheiten, zum Beispiel Röteln.
Es ist hilfreich, vor dem Praktischen Jahr mit dem PJ-Büro des Studiendekanats und/oder dem PJ-Beauftragten der Universität oder des Lehrkrankenhauses über die Schwangerschaft und die damit verbundenen Konsequenzen zu sprechen. Wichtig ist auch, schon vor dem Praktischen Jahr, aller spätestens aber zu Beginn des PJs, das Gespräch mit dem Chefarzt der Abteilung zu suchen. Nichts hilft in einer solchen Situation mehr als ein offenes Wort. Im Rahmen dieses Gesprächs sollte man klären, welche Aufgaben man nicht übernehmen möchte und welche man gerne ausüben würde.
Für schwangere Medizinstudentinnen im Praktischen Jahr ist es meist nicht einfach, sich im Krankenhaus zu behaupten. Oftmals müssen sie mit einer heftigen Gegenwehr rechnen. Das fängt beim Chefarzt an, der häufig wenig bis überhaupt kein Verständnis zeigt, wenn man Aufgaben nicht ausführen möchte. Auch kann es passieren, dass er so verstimmt ist, dass er die Schwangeren nur noch als Bürokraft einsetzt. Ein praktisches Jahr sollte aber natürlich nicht nur aus dem Schreiben von Arztbriefen bestehen.
In dieser Situation empfiehlt es sich, mit dem PJ-Beauftragten des Lehrkrankenhauses zu sprechen und ihm die Mißstände aufzuzeigen. Aber auch die anderen PJler können einem das Leben schwer machen. Diese sind natürlich nicht begeistert, wenn häufig ungeliebte Aufgaben wie die Blutentnahmen auf weniger Schultern verteilt werden und beäugen mit Argusaugen Dienstschluß und Verhaltensweisen der Schwangeren.
Probleme kann es ebenfalls bei der Wahl des Wunschtertials geben. Im OP werden für einige Eingriffe Narkosedämpfe verwendet, die unter Umständen teratogen wirken. Es ist also dringend schon vor dem Beginn des Wunschtertials zu klären, ob man in der Anästhesie oder in anderen chirurgischen Fächern (Urologie, HNO, Gynäkologie etc.) dieses ableisten darf. Eventuell muß man auf ein Fach zurückgreifen, dass keine OP-Tätigkeit Vorsieht, zum Beispiel Neurologie.
Eine Schwangerschaft im Praktischen Jahr ist keine einfache Situation, aber es gibt keinen perfekten Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen. Ist man offen und geht ehrlich mit seiner Situation um, können die meisten Steine mühelos aus dem Weg geräumt werden.