Rauchen kann Multiple Sklerose beeinflussen. Zwar lässt der Tabakkonsum die Krankheit nicht explizit ausbrechen, er fördert jedoch deren ungünstigen Verlauf hin zum chronischen Leiden. Das haben Forscher der Universität Innsbruck kürzlich festgestellt.
Zittrigkeit, Gefühlsstörungen, Seh-, Sprachstörungen und Gangunsicherheit, so kann Multiple Sklerose (MS) beginnen. Die chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems verläuft zunächst schleichend, nimmt jedoch im späteren Verlauf an belastenden körperlichen Behinderungen zu. In Deutschland leiden rund über 120.000 Menschen an MS. Die meisten sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Je früher eine MS erkannt wird, desto besser stehen die Chancen, den Krankheitsverlauf hinauszuzögern. Menschen die den Besuch beim Facharzt hinauszögern, riskieren wertvolle Lebensqualität und Lebenszeit.
Neurologischer Kabelbrand
Verlauf, Ursachen und Risikofaktoren sind bis heute nicht vollständig geklärt. Fest steht: In hohem Maße betroffen sind junge Erwachsene mit dem potentiellen Risiko einer permanenten Behinderung. Ursache der Erkrankung könnten unter anderem Immunreaktionen gegen bestimmte Bestandteile des Nervensystems sein: Das Immunsystem greift eine körpereigene Substanz, wie Myelin, an, das an der Übertragung von Nervenimpulsen beteiligt ist. Ähnlich einem „Kabelbrand“ werden dabei bestimmte Nervenleitungen im Gehirn und im Rückenmark zerstört. Symptome des erstmaligen Auftretens von MS sind plötzliche Seh- oder Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen, Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Auch die Sexualfunktionen können bei MS-Patienten gestört sein. Es treten dann Potenzstörungen, Gefühlsstörungen im Geschlechtsbereich oder auch unwillkürliche Muskelanspannung auf. 90 Prozent der MS-Betroffenen erleiden einen solchen „Erstschub“, der als „clinically isolated syndrome“ (CIS) bezeichnet wird. Mehr als drei Viertel dieser Patienten (80 Prozent) haben auch einen zweiten Krankheitsschub und leiden damit an einer „klinisch definitiven MS“. Innsbrucker Neurologen haben kürzlich erstmals in Österreich im Zuge einer Studie das Rauchen als Risikofaktor für den Krankheitsverlauf bei MS erforscht und herausgefunden, dass ein Zusammenhang zwischen Rauchen und MS besteht.
Doppeltes Risiko
„Die gesundheitsschädlichen Wirkungen des Rauchens sind allgemein bekannt und unumstritten. Nun mehren sich die Hinweise, dass Rauchen auch in der Krankheitsentwicklung von Multipler Sklerose eine Rolle spielt“, erklärt Prof. Thomas Berger, Leiter der Arbeitsgruppe für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Zusammen mit US-Kollegen der Harvard Universität hat ein Team rund um Berger vor Kurzem erste Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass Raucher gegenüber Nichtrauchern ein fast doppelt so hohes Risiko haben, nach der Erstmanifestation der MS einen zweiten Krankheitsschub zu erleiden und damit eine „klinisch definitive MS“ zu entwickeln. Untersucht wurden 129 Patienten, die einen „Erstschub“ der Erkrankung durchgemacht hatten. In einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren erlitten drei Viertel der Raucher, aber nur die Hälfte der Nichtraucher einen zweiten Krankheitsschub. Bei den Rauchern trat der zweite Krankheitsschub auch noch früher auf, zusätzlich entwickelten viel mehr Patienten dieser Krankheitsgruppe eine chronisch fortschreitende Verlaufsform der MS.
Grundlagen gesucht
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Rauchen bei Multipler Sklerose ein Risikofaktor ist und zwar ein so genannter Lifestyle-Risikofaktor, den betroffene Patientinnen und Patienten die rauchen, in der Tat selbst in der Hand haben und ändern können“, betont der Neurologe. Bis Ende 2009 will Berger in Zusammenarbeit mit fünf weiteren Kliniken eine erste Studie mit rund 500 MS-Patienten durchführen. Sie soll Grundlagenerkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Rauchen und Multipler Sklerose liefern und ein Forschungsbeitrag zur Ursachen- und Früherkennung sein. Wichtigster Förderer des Projekts ist die Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft.