Die Nachricht der Züricher Mediziner kommt als Weihnachtsgeschenk daher: Schon eine winzige Dosis des Hormons Oxytocin kann streitende Paare besänftigen. Netter Nebeneffekt: Das Hormon lässt sich auf recht angenehme Weise gewinnen.
Im Job müssen die restlichen Deadlines vor Weihnachten abgearbeitet werden, am Ende des ohnehin anstrengenden Tages kommt die häusliche Auseinandersetzung um die letzten organisatorischen Feinheiten rund ums anstehende Fest. Doch wer auf Grund bitterer Streitphasen bislang verzweifelte, darf in naher Zukunft aufatmen – und seiner besseren Hälfte etwas Oxytocin zukommen lassen. Was auf den ersten Blick merkwürdig klingt hat zumindest aus medizinischer Sicht einen realen Hintergrund. Denn Oxytocin vermag nicht nur die Menge an Cortisol im Blut des Menschen zu verringern – auch verstärkt die Substanz das positive Verhalten des Homo sapiens, wie Forscherinnen und Forscher rund um Beate Ditzen von der Universität Zürich im Fachblatt "Biological Psychiatry" kürzlich berichteten.
Streit? Bitte einmal sprühen!
Dass das Hormon im Gehirn von Säugetieren die Regulation des Sozialverhaltens mitbestimmt, ist aus Tierversuchen zwar lange bekannt. Allerdings ließen sich die Ergebnisse solcher Studien nicht auf den Menschen übertragen – bis Ditzen und ihre Kollegen der Sache auf den Grund gingen. Die Wissenschaftler baten nämlich 47 Paare im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, im Laborversuch über ein für sie typisches Konfliktthema zu streiten. Vor dieser Konfliktdiskussion erhielten die Paare entweder das Hormon Oxytocin oder Placebo als Nasenspray verabreicht. Das Team um Ditzen zeichnete das Verhalten der Paare per Video auf und analysierte es mithilfe eines speziellen Kodiersystems. Zudem wurde das Stresshormon Cortisol bei beiden Partnern wiederholt im Speichel gemessen, um die psychobiologische Stressreaktion auf den Konflikt zu erfassen.
"Paare, die Oxytocin erhalten hatten, schnitten signifikant positiver ab als Paare mit Placebo", fasst Ditzen das Ergebnis zusammen. Tatsächlich verlängerte Oxytocin die Dauer des positiven Verhaltens, zu dem Zuhören, Bestätigen oder Lachen gehören, im Verhältnis zu denen als negativ geltenden Mustern wie Unterbrechen, Kritisieren oder Abwerten. „Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Oxytocin als neuronaler Mechanismus das Verhalten und die Stressreaktion bei Partnerschaften beeinflussen kann“, ließen die Schweizer die erstaunte Wissenschaftsgemeinde wissen. Auch scheint der Effekt, wonach Zärtlichkeit im Alltag von Paaren die Cortisolwerte vermindert, eine weitere Folge der Wirkung von Oxytocin im Gehirn zu sein. "Oxytocin ist damit ein möglicher biologischer Kandidat, der erklären könnte, warum Partnerschaften sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken", meint Ditzen.
Sex als Hormonpillen-Ersatz
Mit ihrer Meinung steht die Schweizerin nicht allein. Auch für den promovierten Chemiker und Sachbuch-Bestsellerautor Rolf Froböse gehört das Hormon zu den spannendsten Substanzen des menschlichen Körpers – auch wenn es sich, rein chemisch betrachtet, lediglich um ein zyklisches Peptid handelt, das im Hirn von allen Säugetieren produziert wird. „Wenn es über die Blutbahnen in den Körper gelangt, bewirkt es die Kontraktion der glatten Muskulatur, etwa wenn sich beim Orgasmus bei der Frau die Gebärmutter oder beim Mann der Samenleiter rhythmisch zusammenzieht“, erklärt der bei München schaffende Froböse. Am anderen Ende der Welt wiederum untersuchte Richard Ivell, Professor am Institut für Hormonforschung der Universität Melbourne, die Folgen der Oxytocin-Wirkung auf das menschliche Gehirn. Seine Aussagen decken sich mit den jetzt in Zürich vorgestellten Ergebnissen, und könnten streitende Paare nicht nur zur Weihnachtszeit beglücken: “Es dürfte am Oxytocin liegen, dass sich selbst der schlimmste Beziehungsstress oftmals nach einem erfolgreichen Schäferstündchen wieder abkühlt”.