Weltweit leiden mehr Kinder an deutlich erhöhten Blutfett-Werten, als bisher angenommen. Betroffene werden zufällig entdeckt, Früherkennung fehlt. Bei rechtzeitiger Diagnose ließen sich gravierende Späterkrankungen vermeiden. Ärzte aus Österreich haben sich nun der Aufklärung über die Krankheit angenommen.
Weit verbreitet, aber dennoch zu wenig beachtet: Angeborene erhöhte Cholesterinwerte sind eine häufige Ursache für Herz-Kreislauferkrankungen. Weil die Problematik der familiären Hypercholesterinämie (FH) aber wenig bekannt ist, wird die Erkrankung nur bei einem Bruchteil der Patienten rechtzeitig gestellt. Geschätzte 15.000 Kinder und Jugendliche sind alleine in Deutschland betroffen, die wenigsten davon jedoch in Behandlung. Der Grund: Es mangelt an Wissen und Früherkennungsprogrammen.
Zufalldiagnosen und schlechtes Timing
Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine autosomal dominant vererbte Fettstoffwechselstörung. Sie kommt in der Bevölkerung der meisten europäischen Länder mit einer Häufigkeit von ca. 1:500 vor. Charakterisiert ist die Erkrankung durch erhöhte Plasmakonzentrationen an LDL- und Gesamtcholesterin. Die deutlich erhöhten Cholesterinwerte im Blut werden durch einen Rezeptordefekt in der Leber verursacht und können früh zur Atherosklerose führen, die sich als koronare Herzerkrankungen und Herzinfarkt manifestieren können. „Bislang werden Betroffene mit Familiärer Hypercholesterinämie eher zufällig entdeckt und meist erst dann, wenn sich die negativen Auswirkungen der Erkrankung wie Herzinfarkt oder Gefäßprobleme bereits zeigen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm von der Abteilung für Ernährungsmedizin der MedUni Wien.
Unter seiner Leitung wurde Ende November 2008 am Campus der Universität Wien ein internationals Symposium zum Thema "Lipids in Children and Familial Hypercholesterolemia" abgehalten. Ziel der Veranstaltung war es, die Sensibilität für das Krankheitsbild zu erhöhen und die Früherkennung zu fördern. Dies kann bereits bei Kindern, deren Eltern eine Erkrankung der Herzkranzgefäße oder einen Herzinfarkt hatten oder erhöhte Cholesterinwerte zeigen, durch präventiv durchgeführte routinemäßige Screenings erfolgen, um bei entsprechender Diagnose rechtzeitig eine adäquate Therapie einleiten zu können.
Die klinische Diagnose der FH wird anhand von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Laborwerten (Lipidprofil) gestellt. Definitiv kann die Erkrankung jedoch nur durch Nachweis einer Mutation des LDL Rezeptor Gens (LDLR-Gen) bzw. des ApoB100 Protein (ApoB) Gens erfolgen. Erwachsene mit nachgewiesenem LDLR Gen Defekt haben ein um ca. 84% höheres Risiko für eine prämature Gefäßanomalie. Wird die Diagnose früh gestellt, ist eine Therapie der Erkrankung gut möglich.
Ernährungsumstellung und Sojatherapie
Am Anfang einer FH-Therapie steht die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Auch Soja führt bei 80 Prozent der Patienten zu einer Absenkung der Cholesterinwerte um 10 Prozent. Bleibt der Erfolg noch immer aus, kann zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden. Bei Patienten mit einem Hochrisiko-Lipidprofil kann das Vorliegen weiterer Risikofaktoren diese empfohlene Grenze für den Beginn einer medikamentösen Therapie weiter senken. Das Mittel der ersten Wahl sind meist Statine.
Ein routinemäßiges Screening von Patienten mit frühzeitigen kardiovaskulären Erkrankungen oder erhöhten Cholesterinwerten wird von der American Academy of Pediatrics zwar empfohlen, ist aber in den meisten europäischen Ländern noch nicht etabliert. „Die Diagnosestellung erfolgt meist, wenn überhaupt, anhand von Zufallsbefunden im Rahmen der Abklärung anderer Beschwerdebilder wie chronischer Kopf- und Bauchschmerzen oder OP-Freigaben“, so Widhalm.