Für Typ-1-Diabetiker ist es ein Traum, irgendwann ohne tägliche Injektionen auszukommen. Die Inselzelltransplantation macht Hoffnung, auch wenn die Therapie noch weit von Alternativen entfernt ist. Vielleicht könnten Virus-Gene als "Bodyguards" für fremde Inselzellen den Traum erfüllen?
Die einzigen Therapieverfahren, mit denen Insulinunabhängigkeit erreicht werden kann, sind nach derzeitigem Stand der klinischen Praxis die Transplantation der Bauchspeicheldrüse und die Transplantation von Inselzellen. Während die Verpflanzung des Pankreas kompliziert und riskant ist, können Insel- bzw. Betazellen minimal-invasiv implantiert werden. Das heißt, die nach Langerhans benannten Inseln werden unter Röntgenkontrolle in das Blutgefäßsystem der Leber gespritzt. Der Nachteil der Inselzelltransplantation ist, dass der Empfänger lebenslang Immunsuppressiva einnehmen muss. Für den Patienten ist diese Behandlung nicht ganz ungefährlich. Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und erhöhtes Krebsrisiko schmälern die gewonnene Freiheit. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Insulinunabhängigkeit im Schnitt nur ein bis zwei Jahre anhält, weil die Leistung der transplantierten Zellen mit der Zeit nachläßt.
Gentechnisch veränderte Beta-Zellen
Seit mehreren Jahren wird an diversen Ansätzen, die das Abstoßungsrisiko ohne die heutigen Nachteile reduzieren bzw. vermeiden, geforscht. So arbeiten kanadische Wissenschaftler am Albert Einstein College of Medicine an einer Technik, mit der gentechnisch veränderte Beta-Zellen für die Transplantation produziert werden. Dazu werden Gene von Viren genutzt, die das Immunsystem des Transplantatempfängers austricksen sollen. Vereinfacht dargestellt sollen die Gene dafür sorgen, dass die fremden Beta-Zellen für das Immunsystem unsichtbar und auf diese Weise vor dem Abstoßen geschützt sind. Die Forscher um Professor Harris Goldstein publizierten kürzlich erste Ergebnisse ihrer gentechnischen Zellproduktion. Allerdings sind die ersten Ergebnisse eher bescheiden. Bei diabetischen Mäusen, denen die modifizierten Zellen injiziert wurden, hielt die Insulinproduktion drei Monate an. Danach waren die Transplantate nicht mehr geschützt und wurden abgestoßen. Die verwendeten drei Virus-Gene, so Goldstein, seien nicht optimal gewesen. "Wir suchen jetzt nach weiteren Genen, die ebenfalls zur Immununterdrückung beitragen". Er hofft, eine Gen-Kombination zu finden, die die tägliche Insulinspritze auf Dauer und ohne Nebenwirkungen überflüssig macht. Bis dahin werden wahrscheinlich noch ein paar Jahre ins Land gehen.
Restriktiv eingesetztes Therapieverfahren
Dass es heute überhaupt Inselzelltransplantationen gibt, dazu hat das Uniklinikum Giessen einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. In die Entwicklung des Verfahrens wurde über viele Jahrzehnte investiert. Die Ergebnisse waren lange Zeit nicht ermutigend, so dass das Projekt schon als gescheitert galt. Den Durchbruch erzielten1999 Forscher aus Edmonton. Mit dem Edmonton-Protokoll, in dem Vorschriften für die Durchführung der Transplantation festgehalten sind, schaffte es die Inselzelltransplantation, sich klinisch zu etablieren. Bis 1999 wurde das Therapieverfahren fast ausschließlich in Verbindung mit einer Nierentransplantation durchgeführt. Aufgrund der Nebenwirkungen und der fehlenden Kenntnisse über Langzeitauswirkungen wird die Transplantation auch heute nur in schweren Diabetes-Fällen eingesetzt. Am Tübinger Universitätsklinikum, wo gerade erstmals insulinproduzierende Zellen verpflanzt wurden, kommt als Indikation laut Dr. Peter Petersen, Chirurg und Transplantationsbeauftragter der Klinik nur in Frage: " Patienten, die unter schweren Unterzuckerungen eines instabilen Typ-1-Diabetes leiden, die sie ohne fremde Hilfe nicht mehr bewältigen können, für die aber das Operationsrisiko einer Pankreas-Organtransplantation zu hoch wäre".
Immunsuppressiva nicht das eigentliche Problem?
DocCheck fragte Petersen, ob er sich von den Ambitionen der Kanadier bessere Behandlungswege verspricht. Seine Begeisterung hält sich in Grenzen: "... Bei der Transplantation allogener, d.h. aus menschlichen Bauchspeicheldrüsen gewonnenen Inselzellen, sind die Nebenwirkungen der immunsuppressiven Medikamente möglicherweise nicht das einzige Problem. Es kann ebenso ihre beabsichtigte Wirkung sein, d.h die Immunsuppression selbst, die unzureichend ist oder andere nicht-immunologische Faktoren, die zum Funktionsverlust bzw. Untergang der Zellen führen. Insofern befasst sich die klinische Forschung auf dem Gebiet der Inselzelltransplantation nach wie vor mit neuen immunsuppressiven Therapien und Substanzen, die zu einer Funktionsverbesserung bzw. -verlängerung allogener Inselzelltransplantate führen könnten." Sind bessere Substanzen bereits in Sicht? Petersen: "Es werden ständig neue Präparate entwickelt und erprobt, wobei es sich nicht nur um neue Formulierungen alter Wirkstoffe handelt, sondern auch um neue Substanzen. Unter diesen hat aber seit der FDA-Zulassung von Sirolimus im Jahre 1999 keine wirklich neue Wirkstoffgruppe Eingang in die Routine-Therapie gefunden. Prognosen sind selbstverständlich nicht möglich und das uns heute zur Verfügung stehende Repertoire ist immerhin so groß, dass die Zahl der möglichen Therapie-Schemata und Kombinationen noch sehr viele Möglichkeiten offen lässt".