Nicht nur für die Wirtschaft, auch für Arzneimittel begann 2009 ungünstig. Gleich mehrere Präparate sind zum Jahreswechsel in die Schlagzeilen gekommen. Von Osteoporose über Epilepsie bis Schizophrenie reicht die Palette der Negativmeldungen. Aber nicht alles ist neu.
Es war eine Mitarbeiterin der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA, die unmittelbar vor dem Jahreswechsel den Reigen von schlechten Nachrichten über Arzneimittel eröffnete. Diane Wysowski von der Abteilung für Arzneimittelrisikobewertung der FDA wandte sich in einem im New England Journal of Medicine publizierten Brief an die medizinische Öffentlichkeit. Sie gab zu Protokoll, dass die immer häufiger bei Patienten mit Osteoporose eingesetzten Bisphosphonate mit einem erhöhten Risiko für Ösophaguskarzinome einher gehen könnten.
Keine Bisphosphonate bei Barrett-Patienten
Zahlen konnte sie präsentieren für Alendronat, das bei weitem am meisten verordnete derartige Präparat. Seit Alendronat im Oktober 1995 auf den Markt kam, erreichten die FDA demnach 23 Berichte über Patienten, die unter Therapie mit der Substanz ein Ösophaguskarzinom entwickelt haben. „Für andere orale Bisphosphonate enthält die FDA-Datenbank keine deratigen Daten“, so Wysowski. Im Mittel vergingen etwas mehr als zwei Jahre zwischen Therapiebeginn und Diagnose des Karzinoms. Histologien sind nicht bei allen Patienten verfügbar, aber es scheint sich überwiegend um distale Adenokarzinome gehandelt zu haben. Auch die europäischen und japanischen Zulassungsbehörden haben entsprechende Kasuistiken gesammelt und kommen auf insgesamt 31 Patienten mit Ösophaguskarzinom, die Alendronat, Risedronat, Ibandronat oder Etidronat erhalten hatten. Nun sind diese Zahlen nicht hoch. Doch das Ösophaguskarzinom ist ein sehr seltener Tumor, sodass die FDA-Statistiken offenbar ausreichten, um eine Warnung zu formulieren. Auch ist die Speiseröhrenentzündung als Nebenwirkung der Bisphosphonat-Therapie bekannt. Die Patienten sollten nach Einnahme der Präparate deswegen mindestens eine halbe Stunde im Stehen verbringen. Die Entstehung von Ösophaguskarzinomen wäre also pharmakologisch plausibel. Abgesehen von der Forderung nach weiteren Studien ist die Kernbotschaft der FDA eine Mahnung zur Vorsicht. Bis auf weiteres seien Bisphosphonate als Risikofaktoren für Ösophaguskarzinome zu behandeln: „Ärzte sollten orale Bisphosphonate deswegen nicht bei Patienten mit Barrett-Ösophagus verordnen“, so Wysowski. Das ist zwar ohnehin eine Kontraindikation. Die Analysen der Behörden zeigen aber, dass sie in der Praxis mitunter nicht beachtet wird. Dasselbe gilt übrigens für Einnahmevorschrift, auf die Apotheker deswegen gar nicht oft genug hinweisen können.
Auch Antiepileptika sind mit Suizidhandlungen assoziiert
Ebenfalls über den Jahreswechsel hinweg diskutierten die Fachgazetten in aller Welt die Suizidgefahr unter Therapie mit Antiepileptika. Eine ähnliche Debatte gab es bekanntlich auch im Zusammenhang mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern. Aktueller Anlass für die Antiepileptika-Diskussion war erneut die FDA, die kurz vor Weihnachten angeordnet hatte, einen Warnhinweis in die Fachinformationen sämtlicher (!) Antiepileptika aufzunehmen. Demnach erhöhen diese Präparate das Risiko von Selbstmordgedanken und Suizidverhalten um nahezu einhundert Prozent, von absolut 0,24 Prozent auf 0,43 Prozent der Patienten, die behandelt werden. Die Arbeitsgruppe Pharmakovigilanz (PhVWP) der europäischen Arzneimittelagentur EMEA sieht das genauso und befürwortet ebenfalls Warnhinweise. Die Debatte ist nicht neu. Oft wurde und wird darauf hingewiesen, dass Epilepsie per se das Risiko von Suizidverhalten erhöhe. Das konnte unter anderem eine dänische Arbeitsgruppe zeigen, die darüber in der Zeitschrift Lancet Neurology berichtet hat. Die FDA hat sich dann allerdings Patienten mit anderen Indikationen angesehen, bei denen Antiepileptika verordnet werden, darunter Migräne und psychiatrische Erkrankungen. Auch hier sei der Effekt nachweisbar, so die Behörde. Daher jetzt die Warnung.
Erneute Debatte über Neuroleptika und Schlaganfälle
Für die dritte Arzneimitteldebatte, die derzeit läuft, zeichnet die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) verantwortlich. Sie hat die nachrichtenarme Zeit zu Jahresbeginn genutzt, um erneut und mit Nachdruck auf eine Studie zum Schlaganfallrisiko unter Neuroleptika-Therapie hinzuweisen, die im vergangenen Jahr im British Medical Journal publiziert worden war. „Den Ergebnissen der Studie zufolge sind alle Antipsychotika mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden“, betont DSG-Vorstandsmitglied Professor Martin Grond vom Kreisklinikum Siegen. Über alle Präparate und Patienten hinweg ergab sich in der Studie ein um 73 Prozent erhöhtes Risiko. Besonders problematisch sind den britischen Daten zufolge die an sich als besser verträglich geltenden, atypischen Neuroleptika, bei denen sich das Schlaganfallrisiko mehr als verdoppelt. Und besonders gefährdet sind demnach Demenzpatienten, die ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko haben. „Vor diesem Hintergrund müssen Ärzte den Einsatz von Antipsychotika bei älteren und vor allem demenzkranken Menschen neu überdenken. Sie sollten nur noch verordnet werden, wenn andere Möglichkeiten der Behandlung ausgeschöpft sind“, so Grond.