Im ersten, wirklich handfesten Erfahrungsbereich mit dem späteren Arztberuf und dem Thema Medizin im allgemeinen, erfährt "der junge Studierende" in diesem Kurs die Anatomie aus erster Hand – am toten Objekt, der Leiche.
Ich habe für Euch meine eigenen Erfahrungen, zusammen mit ein paar hilfreichen Tipps, zusammengestellt, um Euch die ersten Berührungsängste mit diesem – wirklich spannenden – Thema zu nehmen.
Wir beginnen so, wie ich selbst vor einigen Jahren den Kurs erfahren habe. Nach einigen vorbereitenden Seminaren, in welchen die Herkunft, sowie das Verfahren der Konservierung und Vor-Präparation der Leichen erläutert wurde, und einige Worte über ethische und verhaltenstechnische Aspekte für die Studierenden fielen, nahte der große erste Tag im Präpsaal.
Mit unseren schicken, neuen, weißen Kitteln und den Taschen voller Latexhandschuhe und diversem Präparationsbesteck, scharrten wir aufgeregt vor den Türen zum Leichensaal mit den Füßen. Erstmals sollten sich also für uns die geheimen Pforten öffnen, aus welchen schon seit Tagen immer so unangenehme chemische Gerüche drangen. Auch ich, der (mit Anfang Dreißig und diversen Tätigkeiten im Krankenhaus und im Notdienst) wahrlich kein Kind von Traurigkeit bin, muss gestehen, dass die Atmosphäre wirklich sehr aufregend war.
Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Türen auf, jeder zu seiner Gruppe an einen Seziertisch und großes Hallo mit den Präparationsassistenten. Bei diesen handelte es sich um Studierende aus einem höheren vorklinischen Semester. Unsere Objekte (also die Leichen) lagen noch gut verpackt unter formalingetränkten Stofftüchern und Plastikplanen. Trotzdem war deutlich erkennbar, dass hier – ehemalige – Menschen lagen. Der Anblick der verpackten Leichen hat sich bei mir fast stärker eingeprägt, als die schlussendlich zerfledderte und zerlegte Leiche gegen Ende des Kurses.
Der Einstieg wurde jedoch sehr vorsichtig und mit viel Ruhe und Gefühl gestaltet, so dass eigentlich keiner Grund gehabt hätte, von der Situation überfordert zu sein. Selbst dann nicht, wenn der erste Tag im Präpsaal auch parallel für einige Kommilitonen die erste direkte Begegnung mit dem Tod sein sollte.
Die präparierten Leichen sehen auf den ersten Blick aus wie Kunststoffmodelle. Die Hautfarbe ist von einem gräulichen Gelb, sämtliche Kopf- und Körperhaare sind entfernt und auch eine Berührung der Leichen zeigt kaum/keinerlei Parallele mit den Empfindungen, die man von der Berührung Lebendiger her kennt. Alles ist steif und – wie schon angedeutet – kunststoff- oder gummiartig. Dies liegt nicht zuletzt an der monatelangen Berieselung und Behandlung mit und durch diverse Konservierungsmittel.
Auch nach der Entfernung der Haut- und Fettschichten, sowie der Eröffnung der Leibeshöhlen wird klar: Hier geht es völlig unblutig und recht unspektakulär zur Sache. Und spätestens jetzt sollten die anfänglichen Ängste und Befürchtungen überwunden sein.
Natürlich gab es auch in meinem Kurs – wie oben bereits kurz angedeutet – Ausfälle. Es gibt und gab immer schon Leute, für die der Präpkurs das vorzeitige Ende der Medizinerkarriere darstellt. Jeder geht mit dem Thema natürlich anders um, und nicht jedes Nervenkostüm hat die gleiche Reißfestigkeit.
Hier daher ein paar Tipps von mir, wie man den Präpkurs vielleicht ein wenig leichter angehen und meistern kann:
• Die Leichen stammen von freiwilligen Spendern, die nach ihrem Tod ihre Körper den angehenden Ärzten zu Lehrzwecken zur Verfügung gestellt haben. Die Spender müssen übrigens alle deutlich über 60 Jahre alt, sowie an einem relativ natürlichen Tod verstorben sein. Macht Euch also frei von den Bildern à la Anatomie, wo junge, frische Leichen seziert werden.
• Habt von Anfang an keine Berührungsängste (im wahrsten Sinne des Wortes) mit Eurer Leiche. Fasst sie ruhig schon am ersten Tag an (natürlich immer mit Handschuhen!) und bemüht Euch, stets beim Präparieren dabei zu sein. Nicht im Abseits stehen und die Anderen (vermeintlich Fleißigen und Guten) alles machen lassen. Immer aktiv und selbstständig um eine Arbeit bemühen. Man lernt aus keinem Atlas so viel, wie am Sektionstisch.
• Versucht, eine gesunde Mischung aus Pietät und Lebensfreude mit in den Kurs zu bringen. Das mag jetzt zwar ein bisschen seltsam klingen, aber es ist ebenso kritisch, sich den ganzen Tag in Mitleid mit dem/der armen Verstorbenen, der/die gerade zerlegt wird, zu wälzen – andererseits ist es aber auch nicht angebracht, der Leiche mit Respektlosigkeit zu begegnen. Kesse Sprüche, ein Tätscheln des Kopfes oder sonstige Späße mit und rund um die Leiche sind geschmacklos und auch nicht gerne gesehen. Bitte achtet da ein wenig drauf.
• Super Insidertipp am Schluss: Kein Latexhandschuh der Welt vermag es, drei Stunden lang das Formalin von Euren Händen fernzuhalten. Wenn Ihr z.B. über eine längere Zeit hinweg mit beiden Händen Fettgewebe entfernt oder einzelne Organe freipräpariert, seid Ihr gezwungenermaßen über lange Zeit direkt mit dem formalingetränkten Gewebe in Kontakt. Das hält kein Handschuh der Welt auf Dauer zurück. Wenn Ihr dann die Handschuhe auszieht, riechen Eure Hände dementsprechend noch stunden-, wenn nicht sogar tagelang herzerweichend. Einfach ekelhaft.
Kauft Euch daher eine Handcreme und schmiert Euch so richtig schon die Hände vor dem Kurs damit ein. Die Haut muss richtig „satt“ von der Creme sein. Und erst danach zieht Ihr Euch die Handschuhe über. Jetzt hat das Formalin keine Chance mehr, in Eure Poren zu schlüpfen. Nach dem Kurs einfach die cremigen Hände gut abseifen – und weg ist auch der Gestank.