Botulinumtoxin ist das giftigste unter allen Toxinen. Theoretisch würde ein Gramm der Substanz ausreichen, um eine Million Menschen zu töten. Gegen diese potentielle Biowaffe entwickelten US-Forscher nun eine Impfung mit einfacher Anwendung.
Botulinumtoxin (kurz Botox) ist ein hochwirksames Gift. Es legt Nerven und Muskulatur lahm und führt im schlimmsten Fall über eine Atemlähmung zum Tod. Früher war das hochwirksame Nervengift vor allem durch gefürchtete Lebensmittelvergiftungen bekannt. Ursache war häufig Fleisch aus Konserven. Heute ist das Gift in therapeutischen Dosen eine Behandlungsoption bei vielen verschiedenen Erkrankungen, bei der man sich die muskellähmende Wirkung zunutze macht. Auch als Faltenglätter für Best-Ager hat sich Botox einen Namen gemacht.
Erzeuger des Gifts ist das Bakterium Clostridium botulinum, dessen natürlicher Lebensraum der Boden ist. Dort führt es in Sporenform ein ruhiges Dasein. Ohne Luft jedoch, etwa in ungenügend konservierten Lebensmitteln oder Tierkadavern, kann es zur Vermehrung des Bakteriums mit Bildung des tödlichen Gifts kommen.
Biowaffe der höchsten Kategorie
Jährlich erkranken in den USA durchschnittlich 145 Personen an Botulismus, so die U.S. Centers for Disease Control and Prevention. Ein Großteil davon sind Kinder, die besonders empfindlich auf sporenhaltigen Staub reagieren. Der Rest sind Wundinfektionen und Lebensmittelvergiftungen. Daneben ist Botulinum-Neurotoxin eine Biowaffe der Kategorie A, der auch Bacillus anthracis angehört. Das bedeutet: Höchstes bioterroristisches Risiko für die Bevölkerung und die nationale Sicherheit. Denn das Gift ist nicht nur tödlich, sondern auch leicht herzustellen und wirkt über die Inhalation.
Ein schützendes Vakzin hat also nicht nur medizinische, sondern auch militärische Bedeutung. Ein Forscherteam um Mingtao Zeng vom Department of Microbiology and Immunology des University of Rochester Medical Center gelang es nun, einen Impfstoff zu entwickeln, der Versuchstiere vor tödlichen Dosen des Toxins schützte (Gene Therapy 2009; doi: 10.1038 gt.2008.181). Der Clou: Der Impfstoff wird nur einmalig per Nasenspray verabreicht und wirkt bereits auf den Schleimhautzellen der Nase, die dem Gift meist als erstes ausgesetzt ist.
Impfstoffherstellung ohne Toxin
Bisherige Schutzimpfungen gegen Botulinumtoxin basieren auf Toxoiden. Das sind unschädlich gemachte Toxine, deren Herstellung allerdings mit hohen Risiken verbunden ist. Man braucht sehr große Mengen an Toxin, und der Umgang damit ist gefährlich. Ein weiterer Nachteil gegenwärtiger Impfstoffe ist, dass die intravenöse Applikation erst im Blut zu einer Immunreaktion führt.
Der jetzt entwickelte Impfstoff ist ein sogenanntes Subunit-Vakzin und basiert auf nichttoxischen Proteinen, die den Eiweißen ähnlich sind, die das Bakterium produziert. Das Fragment Hc50 wurde als entscheidend für den Mechanismus des Eindringens in die Blutbahn identifiziert, über das das Toxin dann an Nervenendigungen des Gehirns und der Extremitäten gelangt. Bereits 1995 hatte John Middlebrook des U.S. Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) entdeckt, dass das Fragment im Gegensatz zum kompletten Toxin ungiftig ist. Auf eine gefährliche Massenproduktion von Toxinen kann also verzichtet werden.
Geimpfte Versuchstiere überlebten
Das Fragment Hc50 koppelten die Forscher an ein Adenovirus, dass eine Vehikelfunktion besitzt und das Fragment in die Zellen transportiert. Adenoviren lassen sich über die Schleimhaut zuführen. Acht geimpfte Mäuse überlebten, nachdem sie eine tödliche Dosis des Gifts erhalten hatten. Sie wiesen keinerlei Symptome des Botulismus auf. Ungeimpfte Tiere dagegen starben. Der Impfschutz war auch sieben Monate nach der Impfung nachweisbar. Bislang schützt die Impfung nur vor einem von insgesamt sieben Toxinen. Die Forscher sind jedoch zuversichtlich, einen Multi-Komponenten-Impfstoff entwickeln zu können, der auch gegen die anderen sechs Toxine wirksam ist.