Dringend frei nötig? Ab zum Hausarzt des Vertrauens und sich ein paar Tage krankschreiben lassen. Doch geht das immer so einfach? Wie viel Verantwortung muss der Mediziner in diesem Fall übernehmen, wenn er den simulierenden „Hobby-Blaumacher“ an der sprichwörtlichen Kante unterscheiden können will und muss?
Wir haben für Euch mit Herrn Dr. med. Rainer David über dieses Thema gesprochen. Dr. David ist Facharzt für Allgemeinmedizin („Hausarzt“) in einer eigenen Praxis in Söllingen bei Karlsruhe.
Campus: Stimmen die Meldungen der Presse, dass die Krankschreibungen und Krankmeldungen in den letzten Jahren, aus Angst um den Arbeitsplatz, deutlich rückläufig sind?
Dr. med. David: Das Thema Krankschreiben ist natürlich bei uns gegenwärtig. Das fängt bei den allgemeine Erkältungskrankheiten an, die erst mal vom Patienten selbst behandelt werden, dann aber doch nicht richtig ausheilen, gegebenenfalls superinfiziert neu aufbrechen und damit zu einer mehr oder weniger langen Arbeitsunfähigkeit führen, bis hin zu schweren Krankheiten und Verletzungen, die über Monate gehen können. Bei der arbeitenden Bevölkerung ist also die Arbeitsunfähigkeit ein großes Thema.
Es ist tatsächlich so, dass viele arbeitende Patienten keine AU (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) haben wollen, da sie um den Arbeitsplatz fürchten. Mittlerweile gibt es sogar Firmen, die ein Bonusprogramm haben. Dabei bekommt ein Arbeitnehmer bis zu 1.000 € bei keinen Fehlzeiten - pro Krankheitstag werden 200 € reduziert. Dadurch sollen die sogenannten „Montagsblaumacher“ abgeschreckt werden. Nach meinen Informationen funktioniert das System, da die Arbeitnehmer im Krankheitsfalle lieber Urlaubstage verbrauchen.
Campus: Wie „großzügig“ sollte man als Hausarzt Ihrer Meinung nach sein, wenn ein Patient mit objektiv kaum feststellbaren Symptomen in der Sprechstunde erscheint und auf eine Krankschreibung insistiert?
Dr. med. David: Der Patient hat immer einen Grund, wenn er in der Praxis erscheint und krank geschrieben werden möchte. Meine Aufgabe ist es, zu eruieren, was hinter dem Wunsch steht - sei es Krankheit, Probleme im Geschäft, aber auch privates oder eventuell auch „Unlust“. Die Ursache muss ich dann mit dem Patienten besprechen und seine Arbeitsfähigkeit wieder herstellen. Im letzten Falle muss ich dem Patient verständlich erläutern, dass er mit häufigen Krankmeldungen seine Situation extrem gefährden kann, da irgendwann die Geduld eines Dozentes oder Arbeitgebers am Ende ist. Ich sehe hier eine eher verantwortungsvolle Aufgabe des Arztes.
Campus: Gibt es wirkungsvolle und zuverlässige Methoden um zu testen ob ein Patient simuliert oder nicht? Wie nachweisbar sind denn „Schmerzen“ überhaupt?
Dr. med. David: Es gibt ganze Bücher, was man dem Arzt erzählen muss, um eine Krankheit vorzutäuschen. Das ist überhaupt kein Problem. Bei einem durchschnittlichen Kontakt von 5-8 Minuten pro Patient in der Praxis, kann ich nicht alles beurteilen, wenn es richtig vorgebracht ist. Aber wir kennen mit der Zeit unsere Patienten und wissen, wer häufig kommt und aus welchem Grund. Es ist nicht die einmalige Erkrankung oder auch Nicht-Erkrankung, sondern der Verlauf der Krankengeschichte über Monate und Jahre. Und da wissen wir irgendwann, wer immer wieder wegen irgendwas kommt. Wir können im Laufe der Zeit schon mehr einschätzen, als die Patienten und speziellen Krankheitsleitfäden vielleicht meinen.
Campus: Wo hört bei Ihnen bezüglich Krankschreibung der Spaß auf?
Dr. med. David: Der Spaß hört da auf, wo der Patient sich selbst schadet, und wo der Patient versucht, mich zu hintergehen oder mir gegenüber nicht ehrlich zu sein. Ich sehe meine Aufgabe in der Unterstützung des Patienten in allen Bereichen und Fragen, soweit ich dies kann - und dazu gehört auch die schwierige Frage der Arbeitsunfähigkeit. Ich möchte dem Patienten Gesundheit und vor allem Lebensqualität geben und nicht als Krankschreiber oder Pillenverschreiber angesehen werden. Mir reicht es nicht, den Patienten krank zu schreiben - und wenn es zu lange geht, ihn weiter zu schicken in die nächste Praxis. Das ist nicht unsere Aufgabe.