Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Für Blinde und Sehbehinderte bleibt das bisher noch Utopie, auch wenn in den Forschungslabors viele Ideen verfolgt werden. Manches erinnert dabei im übertragenen Sinn eher an eine Camera obscura, wie beispielsweise die Fingerkamera.
Ein Team um George Stetten, Bioingenieur und Wissenschaftler an der Pittsburg-Universität, forscht an einer Art Fingerkamera, die Sehbehinderten und Blinden helfen soll, sich besser in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Das System wurde bereits unter dem Namen FingerSightTM zum Patent angemeldet. Aktuell besteht die Blindenhilfe aus einer winzigen Video-Kamera, die am Zeigefinger bzw. an einer Fingerkuppe befestigt wird, und zwei darunter liegenden Vibratoren. Beide Komponenten sind mit einem tragbaren Computer verbunden. Dieser analysiert das aufgenommene Filmmaterial in real-time mit Hilfe einer Bilderkennungssoftware. Dabei werden Kanten und ganze Objekte aufgespürt, die vom Computer in haptische Signale übersetzt und beim Benutzer in Form von Vibrationen am Finger ankommen, heißt es in dem White Paper. Für Sehbehinderte könnte, so der Ausblick in die Zukunft, "FingerSight" auch zur Fernbedienung eingesetzt werden. Als Beispiel werden Lichtschalter genannt, die einfach "durch Fingerbewegung und Handgesten" ein- und ausgeschaltet werden. Ideen, was sich noch alles mit dem "Fingerkuppenauge" realisieren ließe, hat Stetten reichlich. Bemerkenswert ist auch seine Idee, mehrere Kameras im FingerSight-System zu integrieren, so dass eine Wahrnehmung in "Stereo" möglich wäre.
Vibrationen, die nervös machen
NewScientist berichtete kürzlich über das intelligente "fingertip eye" in einer Kolumne, in der laut Medium die aufregendsten und bizarrsten Erfindungen, die zum Patent angemeldet werden, aufgedeckt und zur Diskussion gestellt werden. Die zahlreichen Leserkommentare zu diesem Bericht reichen denn auch von "großer Erfindung" bis zu "Idee ist total lächerlich". DocCheck fragte beim Kölner Blinden- und Sehbehinderten Verein nach, was Betroffene über die Fingerkamera denken. Die Vorsitzende, Katharina Basten, antwortete: "Ich habe noch einen guten Sehrest, so dass ich mich, wo ich mich auskenne, gut zurecht finde. Ich könnte mir denken, dass mich eine solche Kamera total verwirren würde. Es gibt z. B. auch einen Aufsatz für den Blindenstock. Dieser Laser zeigt einem alles an, was oberhalb des Brustkastens an Hindernissen ist. Ich habe ihn ausprobiert. Mich hat das ständige Vibrieren des Lasers völlig nervös gemacht. Für mich wäre das nichts".
Projektion von Aufnahmen per LCD-Display
Eine Kamera spielt auch bei der Entwicklung aus dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Rolle. Die "seeing-machine", mit der Sehbehinderte Fotos aufnehmen und betrachten können, habe inzwischen ein praktikables Entwicklungsstadium erreicht, so die Meldung. Das Gerät, dessen technischer Ausgangspunkt ein sehr teures Scanning-Laser-Ophthalmoskop (SLO) war, ist inzwischen handlicher geworden und portabel. Und es soll für weniger als 500 Dollar produziert werden können. Statt dem SLO werden inzwischen moderne LEDs verwendet. Der technologische Ansatz ist der gleiche geblieben. Die Daten aus der Digitalkamera werden auf ein LCD-Display übertragen, in einem winzigen Lichtpunkt gebündelt und auf die Retina eines Auges projiziert. Die an der MIT-Entwicklung beteiligte Elizabeth Goldring, selbst sehbehindert, berichtete, dass sie mit der Sehmaschine erstmals das Gesicht ihres Arztes erkennen konnte. Sie plant nun, die moderne Geräte-Version mit Patienten an einer Bostoner Klinik zu testen.
Implantierbare Netzhautchips als Kamera
Auch bei der Sehmaschine muss sich letztendlich noch herausstellen, wie praktikabel sie tatsächlich ist. Ein anderer Ansatz ist der implantierbare Netzhautchip, der in Deutschland seit einiger Zeit unter anderem am Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen klinisch getestet wird. Der Mikrochip ist mit etwa 1.500 Elektroden bestückt und wird direkt unter der Netzhaut eingepflanzt. Ein dünnes, unter der Haut verlaufendes Kabel versorgt ihn mit Strom. Patienten, die den Mikrochip in das Auge eingesetzt bekamen, hätten Lichtpunkte und Muster erkennen können, so Professor Dr. med. Eberhart Zrenner, ärztlicher Direktor am Institut. Die Netzhautchips sind laut Angaben in erster Linie für Patienten gedacht, die aufgrund einer Erbkrankheit nach und nach völlig erblinden. "Der Chip ist das einzige Implantat in klinischer Erprobung, bei dem die Bildaufnahme im Auge selbst erfolgt", berichtet Zrenner. Man darf gespannt sein, welche der Technologien in Zukunft mehr Lebensqualität für Blinde und Sehbehinderte bereit stellen können.