Den Schlüsselbund an den Hals gelegt und schon ist klar, ob der Patient Reanimationsmaßnahmen benötigt. Die innovative Entwicklung eines Sensors von Forschern der Uni Karlsruhe misst Puls und Atmung binnen Sekunden und schlägt Alarm, wenn Vitalparameter ausfallen.
Angst und diagnostische Unsicherheit bei der Leistung von Erste-Hilfe-Maßnahmen sind nicht nur bei Laien, sondern auch bei anderen Personen des Rettungswesens groß. Eine umgehende Reanimation, wie sie vom European Resuscitation Council empfohlen wird, ist für bewusstlose Patienten allerdings häufig entscheidend.
Leuchten für die Rettung
Den Bedarf an einem laientauglichen Handlungsassistenten, der problemlos mitgeführt werden kann, erkannten Professor Armin Bolz und sein Team des Instituts für biomedizinische Technik der Universität Karlsruhe. Im Rahmen eines Projekts entwickelte die Arbeitsgruppe unter der Koordination von Dr. Marc Jäger ein Erste-Hilfe-Sensorsystem (VitalAssist), der Puls und Atmung zuverlässig und innerhalb von zehn Sekunden misst. Eine LED-Lampe leuchtet, wenn schnelles Handeln gefragt ist. Die Handhabung ist denkbar einfach. Der Sensor muss nur an den Hals des Patienten angelegt werden, wofür mehrere Haustellen in Frage kommen. Dabei ist der Sensor so klein und handlich, dass er rund wie ein Einkaufschip an jedem Schlüsselbund Platz findet. Das System stellte Jäger anlässlich der International Conference on Intelligent Sensors, Sensor Networks, and Information Processing (ISSNIP) im Dezember 2008 in Sidney vor.
Der Sensor erfasst kleinste Veränderungen der obersten Körperschichten sowie des Abstandes zwischen Sensor und Körperoberfläche. Technisch ermöglicht dies ein nichtlinearer LC-Schwingkreis. Dieses Sensorelement wirkt als Antenne für elektromagnetische Wellen im Nahbereich. Jede kleine vom Sensor gemessene Veränderung wird in ein proportionales Spannungssignal umgewandelt. Ein Mikroprozessor analysiert dieses Signal und bestimmt die Vitalparameter.
Bereits Pulsfühlen meist zu schwierig
Nur 45 Prozent der Ersthelfer sind überhaupt fähig, einen normalen Puls richtig zu fühlen. Dies ergab eine Untersuchung der Universität Mainz. Eine weitere Studie des Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin desillusioniert weiter. Demnach führten ohnehin nur 14 Prozent der Augenzeugen bei Eintreffen des Rettungsdienstes eine Laienreanimation bei reanimationspflichtigen Patienten durch. Diese Zahlen lassen eine Rechnung der Wissenschaftler zu, deren Ergebnisse noch viel erschreckender sind: Wenn von den 14 Prozent der anwesenden Augenzeugen, die helfen, nur weitere 45 Prozent fähig sind, eine Laienreanimation durchführen, können nur knapp sieben Prozent der reanimationspflichtigen Patienten durch Ersthelfer korrekt versorgt werden. Dies bedeutet, dass bei jährlich 75.000 Reanimationspflichtigen (Bahr, J: Laienreanimation im bundesdeutschen Rettungssystem. Notfall & Rettungsmedizin. 4. April 2007, S. 197-200) 70.000 falsch oder gar nicht von Laien reanimiert werden.
Bedarf auch bei Experten
Im Rettungswesen tätige Personen wie ausgebildete Laien, Polizisten und Feuerwehrleute, aber auch Hausärzte und Rettungssanitäter halten die Entwicklung des kleinen Helfers zum großen Teil für sinnvoll. Simulierte Patientendaten ergaben eine Zuverlässigkeit des Gerätes von fast 90 Prozent. Diese soll allerdings vor Erreichen der Serienreife innerhalb der nächsten Monate noch gesteigert werden. Nach der klinischen Testung könnte der Sensor in zwei Jahren erhältlich sein. Primäre Zielgruppe sind Feuerwehrleute und Sanitäter, aber auch Privatpersonen. Tief in die Tasche greifen müssen Interessierte jedoch höchstens, um den Schlüsselbund herauszuholen, nicht aber für den Erwerb des Sensors. Er soll weniger als 20 Euro kosten.
Ob der Sensor wirklich hilft, Laien zur ersten Hilfe oder gar einer Reanimation zu bewegen, bleibt offen. Denn manche Faktoren, die bei fehlender Hilfeleistung eine Rolle spielen, wie Angst, Unkenntnis und Gleichgültigkeit kann der Sensor leider nicht beeinflussen.