Voodoo betreiben Forscher, die mittels MRT Gefühle mit bestimmten Hirnaktivitäten korrelieren wollen. Das behauptet die Vorab-Veröffentlichung eines Doktoranden am MIT. Allerdings soll bei dieser Analyse wiederum schlampig gearbeitet worden sein.
Sind Neuropsychologen „texanische Scharfschützen“? Statistiker wissen, dass sich hinter diesem Begriff nicht etwa ein ehemaliger Präsident verbirgt, sondern ein Fehler bei der Erstellung von Korrelationen. Der Scharfschütze zielt wahllos auf ein Scheunentor und zeichnet dann die Zielscheibe um jene Einschüsse, die nahe beieinander liegen. Mit einigen Ausreißern hätte er dann zielsicher ins Schwarze getroffen.
Ergebnisse „vollkommen unglaubwürdig
Genau das wirft Ed Vul, Doktorand am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) Gehirnforschern vor, die bestimmte Gefühle mit definierten Gehirnregionen verknüpfen, die sie mit funktioneller Magnetresonanz eruiert haben. Zusammen mit Kollegen wie dem Psychologieprofessor Hal Pashler von der University of California in San Diego hat Vul mehr als 50 solcher Studien untersucht, die in Science, Nature oder anderen hochklassigen Wissenschaftsjournalen in den letzten Jahren erschienen. Sie hatten mit Bildern oder Worten bestimmte Gefühle in Patienten hervorgerufen und dann mit Kernspintomografie nach Regionen im Gehirn identifiziert, die entsprechend aufleuchteten. Je nach Stärke des Signals ergaben sich unterschiedlich starke Korrelationen zwischen Emotion und verarbeitender Gehirnregion. Genau das aber kritisiert die Veröffentlichung, die im September in den "Perspectives on Psychological Science" unter dem provokanten Titel "Voodoo Correlations in Social Neuroscience" erscheinen soll. Entsprechend dem Manuskript, das bereits jetzt im Internet kursiert, wären die mehr als die Hälfte der untersuchten Publikationen "vollkommen unglaubwürdig". Die kritisierten Forscherteams würden zuerst nach bestimmten Voxel suchen, also winzigen Abschnitten im Gehirn, in denen das Signal einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Genau bei jenen mit den stärksten Signalen würde dann die entsprechende Korrelation festgelegt.
So ergäben sich dann Werte von etwa 0,88 (1 entspricht einer hundertprozentigen Zuordnung), wo es allein durch die Messungenauigkeit in der Technik keinen größeren Wert als 0,74 geben könne. Eigene Simulationsexperimente am Computer, so Vul, hätten auch bei Zufallsexperimenten mitunter solch starke Verknüpfungen ergeben. Ursache ist das „Grundrauschen“ anderer Aktivitäten im Gehirn, das mitunter starke, aber unspezifische Signale erzeugt. Als Alternative schlägt das Team zwei unabhängige Gehirnscans vor, um Regionen mit hoher Aktivität zu identifizieren und danach die Stärke des Zusammenhangs beider Ereignisse zu prüfen.
Presserummel lang vor der Veröffentlichung
Die Antwort der kritisierten Autoren ließ nicht lange auf sich warten. Prominente Hirnforscher wie Tania Singer von der Universität Zürich oder Matthew Lieberman aus Los Angeles betonen, dass ihre Ergebnisse durch die Befunde anderer Gruppen gedeckt seien. Statistische Korrekturfaktoren für zufällige Ergebnisse würden die gefundenen Korrelationen absichern. Besonders Lieberman betont in seiner Replik, dass Vul und Pashler bei ihren Analysen nicht nur schlampig gearbeitet hätten sondern auch wichtige Daten nicht in die Analyse einbezogen hätten. 54 Korrelationswerte fehlen im Vul'schen Manuskript, stattdessen gibt es aber drei, die in Wirklichkeit gar keine Assoziation besäßen. Schließlich hätten die Autoren ihre Analysen auf eine Teilnehmerzahl von 10 Probanden pro Studie gegründet. Die durchschnittliche Zahl der Teilnehmer in den betreffenden Experimenten lag aber bei 18. Mit dieser Zahl sei ein Zufallswert in weniger als 25 Prozent aller Ergebnisse zu erwarten.
"Voodoo bei Neurowissenschaften", dieses Thema griffen zahlreiche Blogs und Presseartikel begierig auf. Mit der Vorabveröffentlichung auf der Homepage von Edward Vul hatten die Angegriffenen jedoch wenig Chancen, sich zu wehren. Denn normalerweise findet eine solche Diskussion in wissenschaftlichen Fachjournalen statt. Der gedruckte Artikel ist jedoch erst im September zu erwarten, sodass Chris Frith vom University College in London oder Turhan Canli von der Stony Brook University in New York um den angeschlagenen Ruf ihrer Wissenschaft fürchten.
Gefährliches unspezifisches Grundrauschen
Ganz aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe jedoch nicht. So zogen 2007 die Autoren eines fMRI-Artikels in Nature Neuroscience ihre Ergebnisse zurück. Andere Gruppen hatten gezeigt, dass eben jenes "Hintergrundrauschen" solche Daten produzieren könne. Nikos Logothetis vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen betont in einem Artikel für "Gehirn&Geist", dass die Zahl der Neurone nicht unbedingt für den Gedanken oder das Gefühl entscheidend ist. "Die bloße Masse machts eben nicht - sondern das Zusammenspiel verschiedener eng umgrenzter Neuronenverbände.“ Schließlich umgeben die Nervenzellen eine Vielzahl von Astrozyten, die einen großen Teil des Sauerstoffbedarfs beanspruchen, den die fMRI-Technik misst. Schließlich machen Blutgefäße mit dem Hämoglobin-Messignal nur etwa 3 Prozent des Gehirnvolumens aus. Daher stammen die Kernspin-Signale nicht selten von Vorgängen, die von völlig anderen Aktivitäten des Gehirns stammen. Aus diesem Signalen etwa auf einen Eindruck einer Grafik auf den Bobachter zu schließen, wäre "ungefähr so, als wolle man aus dem Lärm, den ein Auto erzeugt, auf dessen Fahreigenschaften schließen", so Logothetis.
Der Direktor am Tübinger Institut plädiert daher für die Kombination verschiedener Methoden wie beispielsweise dem EEG, um aus den Einschüssen texanischer Scharfschützen ein klares Bild der Reizverarbeitung im Gehirn zu gewinnen.