Xenotransplantation, die Übertragung von tierischem Gewebe auf Menschen, soll einmal den Mangel menschlicher Organe kompensieren. Schweine schneiden dabei als beste Spender ab. Ethisch aber ist es ruhig um das Thema geworden. Sind die Stammzellen schuld?
Die Xenotransplantation (XT) ist allerdings auch mit Schweinen nicht ohne Risiken. Die Gefahr der Infektion durch so genannte porcine endogene Retroviren (PERV), das Problem der Abstoßungsreaktion und der physiologischen Verträglichkeit müssen gelöst werden. Die Forscher hoffen, diese Knock outs irgendwann in den Griff zu bekommen durch Züchtung von gentechnisch veränderten Schweinen. Die Ludwig-Maximilians-Universität Münschen (LMU) meldete gerade neue Ergebnisse im Kampf der transgenen Schweineorgane gegen die natürlichen Killerzellen – NK-Zellen – im menschlichen Körper. Aber wer will, provokativ gefragt, eine gentechnisch veränderte Schweineleber auf Krankenschein?
Interesse an XT eingeschlafen
Eine öffentliche, politische und ethische Auseinandersetzung über Pro und Contra der Xenotransplantation gibt es in Deutschland nicht. Das Thema findet auf den Webseiten des Ministeriums für Gesundheit nicht statt. Die Technologie-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) mahnte das letzte Mal vor zehn Jahren Regularien zu klinischen Versuchen an und "adäquate Regulierungsinstanzen und –verfahren zum Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des einzelnen Patienten und denen der Gesellschaft oder den von Menschen gegenüber den Tieren". Genauso weit zurück liegt eine Stellungnahme der Bundesärztekammer. Von den Medien wurde das Thema ebenfalls nur kurzfristig aufgegriffen mit Überschriften wie "Ersatzteillager Tier" oder "Wieviel Schwein ist in mir drin". Wesentlich mehr an öffentlichen Reaktionen zu dem XT-Thema hat es seitdem nicht gegeben. Warum eigentlich nicht?
Das große Schweigen
Die gleiche Frage stellte sich auch Erich Grießler, Soziologe und Dozent an der Wiener Universität für Wirtschaftswissenschaften. In einem relativ aktuellen Dossier, das uns Professor Dr. Joachim Denner, Leiter des Forschungsprojekts Xenotransplantation im Robert-Koch-Institut, zur Verfügung stellte, geht Grießler dem Thema nach, warum in Österreich keine öffentliche XT-Debatte stattfindet. Selbst Tierschützer seien nicht auf den Plan getreten. Die Gründe für das Desinteresse hören sich plausibel an. U.a. gibt es in Österreich auf diesem Gebiet keine Forschung. Außerdem seien Österreicher wenig an Themen aus Wissenschaft und Technologie interessiert, was auch die Enthaltsamkeit der Presse erkläre. In der Schweiz gibt es seit 2007 immerhin eine Verordnung über die Xenotransplantation vom Schweizerischen Bundesrat. Eine öffentliche Auseinandersetzung sucht man auch hier vergebens. In England verhält es sich nicht viel anders.
Keine klinischen Tests in Deutschland
Die Idee, Organe oder Gewebe von Tieren zu verpflanzen, ist nicht neu. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts transplantierte man Menschen in Europa und USA Nieren von Rhesusaffen, Schafen, Kaninchen und Schimpansen oder die Leber von Pavianen. Keiner der Probanden hat die Operation überstanden. Derartige Versuche an Menschen gehören hoffentlich der Vergangenheit an. Zumindest in Deutschland gibt es zur Zeit keine klinischen Tests. Und wann die Forschung so weit sein wird, ist bisher nicht absehbar. Neben der LMU forschen auf diesem Gebiet die Medizinische Hochschule in Hannover, das Friedrich-Loeffler-, das Paul-Ehrlich- und das Robert-Koch-Institut. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation (DAX) veranstaltet jährlich ein Minisymposium. Im letzten Jahr eröffnete Professor Dr. Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts, das Treffen mit den Worten, "die Fortschritte der vergangenen Jahre zeigen, dass die neue Technologie einmal eine wichtige Rolle spielen könnte, um mehr kranken Menschen mit Transplantationsbedarf zu helfen." Um so erstaunlicher ist, dass weder die Forschung noch die Öffentlichkeit zu den ethischen Fragen Stellung nimmt.
hES läuft der TX den Rang ab
Die Frage bleibt also, warum XT als Thema im Sande verlaufen ist. Von Prof. Dr. med. A.H. Hölscher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie an der Uni Köln erhielt DocCheck die folgende Stellungnahme: "Die Xenotransplantation ist noch so weit weg von der klinischen Untersuchung, sodass dieses im Moment außer in wissenschaftlicher Hinsicht nicht aktuell ist. Interessanter erscheint da eher die Transplantation embryonaler Stammzellen". Der Geschäftsführer des Institituts für Wissenschaft und Ethik an der Bonner Uni, Dr. phil. Michael Fuchs, erklärte DocCheck, dass die Idee von XT als echte medizinische Option gestorben sei. Das Infektionsrisiko sei unterschätzt worden. Er glaubt, dass sich mit der humanen embryonalen Stammzellenforschung (hES) das Thema XT erübrigen wird. Von Professor Jan Peter Beckmann, Institut für Philosophie an der FernUniversität Hagen erfährt DocCheck: "Es scheint so "still" um die Xeno-Tx, weil es so "laut" um die hES-Forschung zugeht. Als Leiter der seinerzeitigen AG "Xenotransplantation" und seit 2002 Mitglied der Zentralen Ethikkommission für Stammzellforschung in Berlin kann ich Ihnen versichern, dass die Forschung in BEIDEN Feldern weiter vorangetrieben wird". Er verweist auf den kürzlich erschienenen Sachstandsbericht des Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE). In das Stimmungsbild passt eine Meldung aus Großbritannien. Dort wird Mitte des Jahres ein groß angelegter Test gestartet mit Stammzellen von menschlichen Föten, die Schlaganfall-Patienten zur Regeneration in das Gehirn gespritzt werden.