Dass Bakterien sich aufgrund von Antibiotikaresistenzen zu Superkillern entwickeln können, beweisen u.a. MRSA-Infektionen im Krankenhaus. Forscher aus Tel Aviv entdeckten, dass Bakterien möglicherweise mit ihren eigenen Waffen zu schlagen sind.
Immer mehr Patienten entwickeln bakterielle Infektionen, gegen die immer mehr Klassen von Antibiotika nicht mehr helfen. Während die Entwicklung eines Antibiotikums meist viele Jahre in Anspruch nimmt und etliche Milliarden kostet, braucht ein Bakterium mitunter nur wenig Zeit, um eine Resistenz zu entwickeln und das Antibiotikum damit für unwirksam zu erklären. Die Entwicklung neuer Antibiotika läuft deshalb auf Hochtouren.
Geheimwaffe gegen Bakterienkolonien
Einen vielversprechenden Ansatz in der Bekämpfung von Bakterien stellen Wissenschaftler um Eshel Ben-Jacob der Tel Aviv Universität vor. Sie fanden heraus, dass Bakterien sich nicht nur vermehren können, sondern unter bestimmten Umständen zu Konkurrenten werden und sich dann gegenseitig töten (PNAS 2009; 106: 428-433; doi: 10.1073/pnas.0811816106). Der Mechanismus dient der Reduktion der Population und sichert immerhin das Überleben einer gewissen Anzahl von Bakterien. Kannibalismus unter Bakterien ist unter Stress wie Hunger, Hitze und schädigender Chemikalienexposition zu beobachten. Setzt man die gesamte Bakterienkolonie nun denselben chemischen Signalen aus, die ihre Bakterien bilden, um Konkurrenz abzuwehren, beginnt der Überlebenskampf. Vorteilhaft ist die Tatsache, dass Bakterien wohl kaum Reisstenzen gegen Komponenten entwickeln, die sie selbst produzieren.
Einzeller mit sozialer Intelligenz
Wenn auch es zunächst etwas befremdlich klingt, ist Kannibalismus unter Bakterien bei Stress als kooperatives Verhalten zu verstehen, so Ben-Jacob. Als Antwort auf Stressoren reduzieren die Bakterien ihre Population ähnlich wie ein Organismus bei anhaltendem Hunger die Produktion einiger Zellen einschränkt. Allerdings bringen sich Bakterien nicht völlig wahllos gegenseitig um. Ein weiterer interessanter Aspekt ist nämlich, dass sie scheinbar eine rudimentäre Form der sozialen Intelligenz besitzen. Die Forscher fanden einen ausgeklügelten und empfindlichen chemischen Dialog zwischen Bakterien, der garantieren soll, dass nur ein Teil der Zellen getötet wird.
Dies beobachteten die Wissenschaftler an zwei nebeneinander liegenden Schwesterkolonien von Paenibacillus dendritiformis, ein spezieller Stamm sozialer Bakterien. Unter Bedingungen des Nährstoffmangels hemmten sich beide Kolonien nicht nur gegenseitig am Wachsen in das Gebiet zwischen beiden Kolonien, sondern induzierten auch den Tod jener Zellen, die der Grenze nahe waren. Der Zelltod endete, nachdem der Austausch von chemischen Botschaften zwischen beiden Kolonien unterbrochen wurde. Beide Kolonien zogen sich dann gleichzeitig zurück.
Mit eigenen Waffen schlagen
Den Überlebenskampf von Bakterienstämmen nutzten bereits Kazuhiko Kurosawa und Mitarbeiter vom Massachusetts Institute of Technology, um neue Antibiotika gegen Helicobacter pylori zu entwickeln (Journal of the American Chemical Society 2008; 130: 1126-1127). Sie entdeckten, dass der Platzmangel konkurrierender Bodenbakterien, davon ein Stamm Rhodococcus fascians, diese zur Produktion von Stoffen anregte, die den anderen Bakterienstamm tötete. Die beiden produzierten Substanzen waren bislang unbekannt und erhielten den Namen Rhodostreptomycin A und B. Diese Entdeckung könnte sehr gut Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Antibiotika sein, so die Wissenschaftler.
Bakterien wissen, wie sie Informationen aus ihrer Umgebung sammeln, sie sprechen miteinander, verteilen Aufgaben und haben ein kollektives Gedächtnis, glaubt Ben-Jacob. Die soziale Intelligenz, vermittelt über chemische Sprache, erlaubt Bakterien die Umwandlung ihrer Kolonien in große Gehirne. Diese verarbeiten Informationen, lernen aus Erfahrungen, um unbekannte Probleme zu lösen und mit neuen Herausforderungen umzugehen. „Wollen wird die Herausforderung durch Bakterien an uns bestehen, setzt dies erst einmal die Erkenntnis voraus, dass es sich nicht um einfache Kreaturen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit handelt“, so Ben-Jacob.