Eine Studie an der UKS erfasste Daten von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und den behandelnden Ärzten. Interessantes Fazit: Das Geschlecht des Patienten hat Auswirkungen auf die Therapie - aber auch das des Behandlers.
Erfasst wurden, unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Böhm, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin an der UKS, die Daten von 1857 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und 829 behandelnden Ärzten. Schon lange bekannt war zunächst ein Aspekt: Therapien von Krankheiten, die das Herz und das Gefäßsystem betreffen, sind durch das Geschlecht des Patienten stark beeinflusst. „Bei Frauen werden Diagnosen deutlich verzögert gestellt, die Therapie zu spät begonnen bzw. inadäquat durchgeführt. Hierdurch kann die Prognose weiblicher Patienten negativ beeinflusst werden“, heißt es dazu aus Homburg/Saar. Die eigentliche Frage jedoch entzog sich bislang der wissenschaftlichen Forschung: Spielt womöglich das Geschlecht des behandelnden Arztes die entscheidende Rolle? Zur Klärung der Hypothese, wonach weibliche Ärzte die besseren sind, setzten die Mediziner um Böhm auf harte Fakten: Im Rahmen der prospektiven Untersuchung des AT1-Anagonisten Valsartan wurde der Einfluss des Geschlechts der Patienten und der behandelnden Ärzte auf die medikamentöse Therapie der chronischen Herzinsuffizienz analysiert.
Die Ergebnisse zeigten „insgesamt eine befriedigende medikamentöse Therapie der chronischen Herzinsuffizienz bei allen Patienten mit nur geringen Unterschieden bezüglich der Spezialisierung des behandelnden Arztes“, wie die Forscher resümieren. Ob Allgemeinmediziner oder Internist – die Fachrichtung des behandelnden Arztes spielt offenbar nicht die entscheidende Rolle, wenn es um chronische Herzinsuffizienz geht. Doch erste geschlechtsspezifische Unterschiede treten bereits bei den Patienten auf. Im Vergleich zu den Männern wurden Frauen seltener mit Medikamenten therapiert, die bei einer chronischen Herzinsuffizienz unabdingbar sind, darunter ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten oder Beta-Blocker. Auch die Dosierungen der Medikamente für Frauen fiel insgesamt niedriger aus. „Dabei ist die Dosierung der Medikamente von besonderer Bedeutung, da erst die leitliniengerechten hohen Dosierungen dem Patienten den besten Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen bieten“, kritisieren die Autoren der Studie den Praxisalltag in der Republik.
Frauenpower als Rettung
Rettung für die wirkstoffgeprellten Frauen bietet allenfalls das weibliche Geschlecht – auf der anderen Seite des Schreibtisches im Behandlungszimmer. Ärztinnen behandeln nämlich „mehr Patienten mit den erforderlichen Medikamenten“, wie die Uniklinik jetzt mitteilt. Zudem erfolge eine höhere, und damit adäquatere Dosierung. Schließlich scheinen Ärztinnen weitaus objektiver an den wahren Gesundheitszustand ihrer Klientel heranzugehen, als die männlichen Kollegen. Frauen in Weiß machen nämlich „keinen Unterschied bezüglich des Geschlechts ihrer Patienten“, wie die Auswertung der Daten belegt. Genau das aber macht den kleinen Unterschied aus: „Obwohl in der Gesamtgruppe männliche sowie weibliche Patienten gleich gut therapiert wurden, behandelten männliche Ärzte demgegenüber weibliche Patienten signifikant seltener und mit niedrigeren Dosierungen der erforderlichen Medikamente“.
Gewiss, männlichen Ärzten in Sachen Herzinsuffizienz die Kompetenz abzusprechen wäre unangebracht. Warum aber handeln Doktoren so anders – und mitunter so falsch? Die Unterversorgung weiblicher Patienten spiegelt nach Ansicht Böhms uns seines Teams lediglich die Ergebnisse vorheriger Untersuchungen bei anderen Erkrankungen wieder, und: „Ursächlich könnte die Missinterpretation bzw. das Unterschätzen der Symptome weiblicher Patienten sein“.
Anders ausgedrückt: Weil Männer als Patienten keine Helden sind, klagen sie intensiver – und erhalten dadurch die entsprechende Aufmerksamkeit des Arztes. Frauen wiederum halten den Symptom-Ball flach, was offensichtlich nur Ärztinnen auffällt. Sich darüber im Klaren zu werden, kann gerade männlichen Ärzten die Arbeit erleichtern – erfordert aber eine weitaus sensiblere Form der Anamnese. Wie die auszusehen hat, machen Ärztinnen vor. Mehr Zeit pro Patienten-Arztkontakt und der frühe Einbezug der Patienten in die Therapieentscheidungen steigern das Vertrauen – und erhöhen die Einnahmetreue der Medikamente. Zudem könnte laut UKS-Studie die Analyse der Symptome bei weiblichen Ärzten detaillierter sein, was die optimale, individuelle medikamentöse Therapie nach sich zieht. „Hierbei scheinen weibliche Ärzte ihre Patienten besser zu therapieren“, lautet das Fazit der UKS.
Die Studie enthält womöglich brisantes Potenzial, wie Böhm und sein Team zu berichten wissen: „Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der medikamentösen Therapie der chronischen Herzinsuffizienz sind wahrscheinlich auch in anderen Bereichen der Medizin vorhanden.“