Die STIKO empfiehlt, Mädchen prophylaktisch gegen Papillomviren zu impfen. Bereits infizierte Erwachsene soll in Zukunft ein Vakzin der zweiten Generation schützen. Die Anforderungen sind hoch: Effektiv, weltweit einsetzbar und erschwinglich.
Viele der rund 1000 Familienmitglieder sitzen als harmlose Kommensalen in menschlichen Epithelien. Andere verursachen Warzen. Und einige davon erzeugen Krebs. Diese Erkenntnis brachte Harald zur Hausen den Nobelpreis und war die Basis für zwei Vakzine, die Millionen junger Mädchen von dem Zervixkarzinom schützen sollen. Gardasil und Cervarix erzeugen eine Immunantwort gegen L1-Proteine der humanen Papillom-Virustypen (HPV) 16 und 18 (bei Gardasil noch zusätzlich 6 und 11).
Das Problem Zervix-Karzinom ist damit jedoch noch nicht gelöst. Denn nur etwa 70 Prozent der Karzinome gehen auf einen der Typen zurück, die die Impfung abdeckt. Auch wenn Merck Berichten nach bereits an einem Impfstoff gegen ein breiteres HPV-Spektrum arbeitet, bleibt die Impfung ein recht kostspieliger Schutz. Dabei sind „messbare Effekte auf die Rate von Gebärmutterhalskrebs in 20 bis 30 Jahren zu erwarten.“ so die Impfkommission STIKO. Denn zwischen Infektion und Auftreten des Tumors vergehen rund 15 bis 25 Jahre.
Therapeutische Vakzine: Langlebig, effektiv und erschwinglich
Am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg entstehen daher die Prototypen für "Impfstoffe der zweiten Generation". Das "Super-Vakzin" der Zukunft schützt Frauen nicht nur vor der Infektion, sondern alarmiert die Immunabwehr, wenn es der Virus bereits ins schützende Innere von Zelle geschafft hat. Auf dem Wunschzettel der Labore von Lutz Gissmann und Angel Cid-Arregui stehen aber noch weitere Eigenschaften der Impfstoff-Innovation: Langlebig auch bei tropischen Einsatzbedingungen der dritten Welt und ein kompletter Schutz über viele Jahrzehnte hinweg.
Wenn es um die Aktivierung einer zellulären Immunantwort geht, spielen Dendritische Zellen eine zentrale Rolle. Sie können virale Proteine aufnehmen und als Peptid für eine T-Zell-Antwort auf ihrer Oberfläche präsentieren. In der möglichen Therapie von Zervixkarzinom-Vorstufen sind sie der Hebel für die Anti-Tumor-Antwort. Im Tierversuch gelang es bereits, das Onkogen E7 von HPV 16 in Dendritische Zellen einzuschleusen und damit eine effektive Immunantwort zytotoxischen T-Zellen hervorzurufen. Das funktioniert mit E7-DNA, noch besser aber mit der entsprechenden mRNA. Für den Einsatz am Menschen sind jedoch Versuche mit einem viralen Onkogen zu gefährlich. Dabei könnte aus der Tumorprävention leicht eine Tumorinduktion werden. Daher behalfen sich Kerstin Dell und Lutz Gissmann mit einem Trick: Sie ordneten die Sequenzen von E7 so um, dass die transformierenden Eigenschaften verloren gingen. Erste klinische Studien mit diesem therapeutischen Impfstoff sollen in absehbarer Zeit beginnen: "Man kann sich vorstellen, dendritische Zellen aus einer Patientin zu gewinnen, im Reagenzglas mit E7-mRNA zu behandeln und anschließend in den Körper der Patientin zurückzugeben", erläutert der ehemalige zur Hausen-Mitarbeiter Gissmann die therapeutischen Möglichkeiten der Methode.
CVLP: Stimulieren Antikörper und T-Zellen
Die Wirkstoff-Schmiede des DKFZ forscht aber auch noch nach Alternativen. Die derzeitigen präventiven Impfstoffe bestehen aus dem L1-Kapsidprotein der Papillomviren, das sich spontan zu "Virus-like-Particles" (VLP) zusammenlagert. Ein chimäres VLP (CVLP) aus dem Gissmann-Labor besteht aus einem Fusionsprotein von L1 und E7. Das Konstrukt bringt das beste aus beiden immunologischen Welten mit: Es produziert einen hohen Antikörperspiegel und aktiviert gleichzeitig zytotoxische und Helfer-T-Zellen gegen die beiden viralen Proteine, die sich auf den Oberflächen transformierter Zellen wiederfinden. Ein erster klinischer Test mit dem Kandidaten verlief recht hoffnungsvoll. Bei 40 Prozent aller getesteten Patienten mit intraepithelialer Neoplasie der Zervix im Stadium II und III sorgte das stimulierte Immunsystem für einen Rückgang des Tumors. Auch das Labor von Angel Cid-Arregui arbeitet an einem CVLP, das sich aus E7 und einem immunogenen Hepatitisvirus-Protein zusammensetzt. Als Industriepartner soll die spanische Biotechfirma Chimera Pharma den neuen Impfstoff weiterentwickeln und vermarkten.
Für das "Super-Vakzin" müssen die Wirkstoffe noch billiger und stabiler werden. CVLP's, die nur mehr ein Bruchteil der ursprünglichen Größe besitzen, sind günstiger herzustellen und haltbarer im ungekühlten Zustand. Wenn die geplante klinische Studie zusammen mit Kollegen aus den USA und Brasilien die Erwartungen erfüllt, könnte aus den „mini VLP's“ ein Impfstoff entstehen, der auch von Entwicklungsländern bezahlbar ist. Denn der Großteil der rund 200.000 Opfer dieser Krankheit kommt aus unterentwickelten Staaten. Unabhängig vom Infektionsstatus der Frau könnte er vielleicht nicht nur Tumore, sondern auch unangenehme Hautwarzen vermeiden helfen. Oder aber mit analogen viralen Eiweißen auch bei anderen virus-assoziierten Krebserkrankungen vorbeugen und heilen. Und vielleicht belohnt einer der zukünftigen Nobelpreise die Entwicklung von therapeutischen Vakzinen der zweiten Generation.