Reichlich Fett und kaum Kohlenhydrate – eine ketogene Diät konnte bei Ratten die Symptome von Gicht lindern. Im Rahmen einer Studie der Yale-Universität identifizierte man außerdem das NLRP3-Inflammasom als möglichen Angriffspunkt bei der Gichttherapie.
Eine aktuelle Studie der Yale-Universität zeigt, dass eine Ernährungsumstellung auch ein möglicher, therapeutischer Ansatzpunkt für Gicht sein könnte: Grundlage dafür ist der Ketonkörper β-Hydroxybutyrat, der das NLRP3-Inflammasom spezifisch hemmen kann. Die Fütterungsversuche der Wissenschaftler an Ratten lassen vermuten, dass eine bestimmte Ernährungsweise auch Menschen mit Gicht helfen könnten – ganz ohne die Abwehrfunktion des Immunsystems bei bakteriellen Infektionen zu schwächen. Ratten mit Gicht, die eine ketogene, also besonders fettreiche und kohlenhydratarme, Diät bekommen hatten, bildeten vermehrt β-Hydroxybutyrat, welches die Gelenke der Ratten weitgehend vor dem Anschwellen schützte. Auch Gewebeschäden und systemische Entzündungsreaktionen traten unter dieser Ernährung nur in abgeschwächter Form auf.
Die Gicht galt früher als ein „Privileg“ wohlhabender, älterer Männer mit ausschweifendem Lebensstil. Heute betrifft sie ein breites Spektrum der Bevölkerung – auch Frauen. Als Auslöser für Gicht zählt die Harnsäure - das Endprodukt des Purinstoffwechsels. Erreicht die Harnsäurekonzentration im Blut ihre physiologische Löslichkeitsgrenze, kommt es zur Ausfällung von Natriumuratkristallen im Gewebe.
Gicht entsteht, wenn sich die Uratkristalle in den Gelenken ansammeln. Dort stimulieren sie kontinuierlich das Immunsystem, das mit der Aktivierung von Neutrophilen reagiert. Gesteuert wird dieser Prozess über einen Proteinkomplex, der als NLRP3-Inflammasom bezeichnet wird. Tophus am Ellenbogengelenk. Credit: Nick Gorton, CC BY 2.5. Ein Gichtanfall äußert sich in starken Gelenkschmerzen, Entzündungen und Fieber. Die Therapie von Gicht-Patienten zielt unter anderem darauf ab, die Harnsäurekonzentration im Körper der Patienten zu verringern. Doch paradoxerweise können sämtliche Urat-reduzierende Medikamente einen Gichtschub auslösen, was die Patienten-Compliance für die Einnahme dieser Medikamente erschwert. „Trotz der Fortschritte bei der Gichttherapie konzentrieren sich die Maßnahmen bisher auf NLRP3-unspezifische Interventionen wie dem Einsatz von Adrenocorticotropin und Antirheumatika (NSAR)“, beschreiben Wissenschaftler der Yale-Universität in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut den aktuellen therapeutischen Stand bei Gicht.
Eine Alternative zu herkömmlichen Therapien könnten Ketone sein. Sie entstehen als Nebenprodukte des Fettabbaus in der Leber und dienen Gehirn und Herz als alternative Energiequellen, wenn dem Körper gerade keine Kohlenhydrate zur Verfügung stehen. Dabei startet der Körper die Oxidation von Fettsäuren, sowie die Produktion von Ketonkörpern β-Hydroxybutyrat (BHB) und Acetoacetat (AcAc). All diese Stoffe dienen als Hauptsubstrate für die ATP-Herstellung zur Unterstützung der Herz- und Hirnfunktion. Uratkristalle in Gelenkflüssigkeit. Credit: Ed Uthman from Houston, TX, USA - Gout: monosodium urate crystals in joint fluid, CC BY 2.0. „Wir haben bereits vor zwei Jahren zeigen können, dass auch myeloische Zellen die ketogene und ketolytische Maschinerie exprimieren und dass BHB das NLRP3-Inflammasom in Makrophagen blockiert“, schreiben die Forscher. Ketone könnten also als zelleigene Entzündungsmetaboliten fungieren.
Die Fütterungsversuche mit einer ketogenen Diät an Ratten mit Gicht zeigten: BHB kann die Symptome der Gicht lindern. Durch eine fettreiche und kohlenhydratarme Ernährung erhöhte sich zunächst die BHB-Konzentration im Blut der Tiere. Das bewirkte, dass die Gelenke der Tiere weniger stark anschwollen und auch die Konzentration systemischer Entzündungsmarker geringer waren als bei normal ernährten Tieren. Pathologische Analysen der Forscher wiesen darauf hin, dass die verminderten Gelenkschwellungen einer abgeschwächten Entzündungsantwort geschuldet sind. Obwohl Neutrophile und Makrophagen in das Gewebe eingewandert waren, fanden die Wissenschaftler dort eine verminderte Gewebezerstörung vor. Versuche mit Mäusen zeigten zudem, dass die bakterielle Immunabwehr durch eine solche Diät nicht beeinträchtigt ist – eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz der Therapie beim Menschen.
Auch bei in vitro Versuchen an humanen Zellen von Erwachsenen und älteren Menschen hinderte BHB die Neutrophilen daran, IL-1β auszuschütten. „Das funktionierte sogar bei niedrigen Konzentrationen, die durch eine ketogene Diät erreichbar sind“, so Studienleiterin Emily Goldberg. Sie vermutet, dass das NLRP3-Inflammasom ein guter Ansatzpunkt ist, um die Entzündungsreaktionen während eines Gichtschubs abzumildern. Zu Bedenken bliebe in diesem Fall jedoch, dass eine dauerhaft fettreiche Ernährung eine Dyslipidämie auslösen kann, die wiederum zur Entwicklung einer Arteriosklerose beitragen kann. Modell des Purin-Harnsäure-Stoffwechsels des Menschen, Credit: LMU5967 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Um das Potential einer solchen Ernährungsweise bei Menschen mit Gicht zu testen, sind allerdings noch weitere Studien notwendig. Theoretisch betrachtet könnte NLRP3 jedoch nicht nur bei Gicht ein therapeutischer Ansatzpunkt sein, sondern auch bei anderen, altersbegleitenden Entzündungserkrankungen.
In der alternden westlichen Gesellschaft sind alternative Behandlungsmethoden für Gichtpatienten ein willkommener Ansatz. Mindestens 1 Prozent der Bevölkerung in westlichen Ländern leidet unter Gicht, bei Männern über 40 Jahre ist die Gicht noch vor der Arthritis die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. „In den USA leiden mehr als 8 Millionen Menschen unter Gicht“, schreiben die Wissenschaftler. Zu einer Hyperurikämie – einer Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut - mit einem Serum-Harnsäurewert von mehr als 7 mg/dl kommt es entweder, wenn der Körper zu viel Harnsäure bildet, oder viel häufiger aber, wenn die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren eingeschränkt ist. Die Gründe für eine vermehrte Harnsäurebildung können ganz unterschiedlich sein. So werden beispielsweise myeloproliferative Störungen, bestimmte Lymphome, eine exfoliative Psoriasis, aber auch genetisch bedingte Enzymdefekte und das Tumorlysesyndrom mit einer vermehrten Harnsäurebildung in Verbindung gebracht. Gicht im Röntgenbild des Fußes. Typische (Haupt-)Lokalisation am Großzehengrundgelenk. Auffallend auch die Weichteilschwellung in der Umgebung des Gelenkes. Credit: Hellerhoff, CC BY-SA 3.0.
Die Gründe für eine mangelhafte renale Ausscheidung können zum einen eine Niereninsuffizienz sein, zum anderen auch in den Nebenwirkungen von Medikamenten wie Thiaziden, Schleifendiuretika, niedrig dosierter Acetylsalicylsäure [ASS], Ciclosporin A etc. begründet sein. Als weitere Risikofaktoren gelten ein Ernährungsstil mit purinreichen Nahrungsmitteln wie rotem Fleisch und Meeresfrüchten, viel Alkohol und der übermäßige Verzehr von fruktosehaltigem Zucker. Auch genetische Faktoren, das metabolische Syndrom und das männliche Geschlecht an sich gelten als Risikofaktoren für eine Hyperurikämie.
Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Gicht mit meist anfallsartig auftretenden, starken Schmerzen vor allem in den Gelenken korreliert direkt mit der Harnsäurekonzentration im Blut. Bevor es jedoch zu einer akuten Gichtarthritis kommt, besteht oft über eine längere Zeit eine asymptomatische Hyperurikämie. Vielleicht wäre in diesem Zustand ketogene Ernährung eine ideale therapeutische Option.
β-Hydroxybutyrate Deactivates Neutrophil NLRP3 Inflammasome to Relieve Gout Flares. Goldberg, E.L. et al. Cell Rep. 2017 Feb 28;18(9):2077-2087.