Eine neue Studie der Medizinischen Universität Wien revolutioniert die bisherigen Erkenntnisse über die Osteoporose. Trabekulärer Knochen kann nicht mehr länger für die Knochenstärke verantwortlich gemacht werden.
Knochen baut sich ständig auf und um. In diesem Umbauprozess herrscht normalerweise ein ausgewogenes Gleichgewicht. Kippt dieses zugunsten der Knochenresorption, kommt es zur Abnahme von Knochenmasse, die Osteoporose beginnt. Sie ist die häufigste Stoffwechselerkrankung des Knochens und die Folge eines krankhaft erhöhten Abbaus von Knochensubstanz. Niedere Knochendichte und Verschlechterung der Mikroarchitektur zerstören die Feinstruktur eines Knochens. Er wird brüchig und fragil. Von der Osteoporose betroffen können alle Skelettsknochen der des menschlichen Körpers sein. Besonders oft brechen jedoch Unterarm, Wirbelkörper und Oberschenkel. Der World Health Organisation (WHO) zufolge zählt die Osteoporose zu den zehn häufigsten Erkrankungen weltweit. Größtes Problem dabei: Die Menschen werden immer älter. Durch die demographischen Veränderungen der Gesellschaft sind osteoporotische Frakturen im Steigen begriffen. Die Angaben zu Prävalenz und Inzidenz sind leider noch uneinheitlich. Man geht jedoch davon aus, dass in Europa, USA und Japan etwa 75 Millionen Menschen an der Erkrankung leiden. Bis zum Jahr 2010 werden Schätzungen zufolge weltweit 52 Millionen Frauen im Alter von 50 Jahren und darüber an Osteoporose leiden. Bis 2020 soll sich diese Zahl auf 61 Millionen erhöht haben.
Trabekulärer versus kortikaler Knochen
Knochen besteht aus zwei Bausteinen, dem inneren, trabekulären Knochen und einer kompakten Hülle, dem kortikalen Knochen. Letzterer weist eine wesentlich höhere Dichte auf als der trabekuläre Knochen. Dieser hat dafür eine schwammartige Struktur, die wesentlich zur Knochenstärke beitragen soll. Trabekulärer Knochen ist hauptsächlich vom osteoporotischen Knochenmasseverlust betroffen. Geht seine Struktur verloren, führt fortschreitende Destruktion zur völligen Auflösung und zum erhöhten Knochenbruchrisiko. Daher basieren Diagnose und Therapie der Osteoporose auf der Knochendichtemessung. des trabekulären Knochens. Wie sehr das Sinn macht wollten Wissenschafter der Medizinischen Universität Wien herausfinden. Sie kamen dabei zu einem erstaunlichen Ergebnis, das nicht nur die bisherigen Erkenntnisse über die Osteoporose neu definiert, sondern auch eine Revision der derzeitigen diagnostischen und therapeutischen Strategien zur Folge haben könnte.
Kortikaler Knochen gibt Stabilität
Gerold Holzer, Gobert von Skrbensky und Lukas A. Holzer von der Wiener Universitätsklinik für Orthopädie haben gemeinsam mit Wolfgang Pichl vom Institut für Materialphysik ein Modell zum Vergleich von Knochenstrukturen entwickelt. Sie untersuchten das Verhältnis trabekulärer und kortikaler Knochens zueinander und ihre Bedeutung in Bezug auf die Knochenstärke. Die Methode, mit der die Wissenschafter in ihrer randomisierten Studie vorgingen scheint einfach: Sie nahmen die Oberschenkelknochen Verstorbener, entfernten jeweils einem Femurkopf des Knochenpaars den trabekulären Knochenanteil. In ihren Frakturuntersuchungen konnte die Arbeitsgruppe beweisen, dass der komplette Verlust von trabekulärem Knochen zu einer vergleichsweise geringen Reduktion der Knochenstärke führt. Der Unterschied zwischen beiden Knochenstrukturen liegt im Durchschnitt nur bei 7 Prozent. Durch den Vergleich kamen die Forscher zum Schluss, dass für die Knochenstärke in erster Linie der kortikale Knochen verantwortlich ist, während die trabekuläre Knochenstruktur mit ihrem Gerüst eine große Oberfläche darstellt, damit Mineralien und verschiedene Zelltypen dem Organismus rasch zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im „Journal of Bone and Mineral Research“ veröffentlicht.