"Always look on the bright side of life". Wie gut es gelingt, die positive Seite zu sehen, liegt auch im Erbgut. Forscher zeigten, dass ein Gen die Wahrnehmung beeinflusst: Die Träger bringen positiven Informationen mehr Aufmerksamkeit entgegen als negativen.
Das Gen namens 5-HTTLPR steht schon länger im Visier der Forschung. Es beeinflusst die Serotonin-Konzentration im Gehirn und wie bereits frühere Studien zeigten, Stimmung und mentale Verfassung. Bekannt ist auch, dass bei dem Transportergen ein Polymorphismus in der Promoter-Region existiert – insgesamt gibt es drei Allelvarianten. Die kurzen korrelieren mit einer geringeren synaptischen Verfügbarkeit von Serotonin und einem höheren Risiko für depressive Störungen und Suizidversuche. Zudem triggern die kurzen Varianten eine verstärkte neurochemische Reaktion auf Stresssituationen.
Drei Wissenschaftler der Universität Essex sahen sich nun genauer an, wie sich die Varianten von 5-HTTLPR jeweils auswirken. In ihrer Ende Februar veröffentlichten Studie stellten sie fest, dass die Allelvarianten eng mit der Wahrnehmung von positiv und negativ besetzten Bildern assoziiert sind. »Wir haben zum ersten Mal an gesunden Menschen gezeigt, dass diese genetische Variation mit der Tendenz zu einer positiven oder negativen Lebenseinstellung gekoppelt ist«, so Studienleiterin Prof. Elaine Fox.
Schokolade versus Spinne
Das Forschertrio teilte die 97 Studienteilnehmer in drei Gruppen: Homozygote Träger mit zwei langen Allelen (LL), Heterozygote mit einem langen und einem kurzen Allel (SL) sowie Personen mit zwei kurzen Allelen (SS). Den Probanden wurden Fotos unterschiedlicher Aussagekraft vorgelegt. 20 riefen positive Assoziationen hervor, 20 negative und weitere 40 hatten eine neutrale Botschaft. Die Fotos aus dem so genannten »International Affective Picture Set« wurden paarweise gezeigt. Dabei wurde stets ein »gutes« wie etwa Schokolade oder ein »schlechtes«, beispielsweise eine Spinne, mit einem neutralen Motiv kombiniert. Die Probanden hatten also nicht die Wahl zwischen positiv und negativ. So konnte das Ausmaß der Wahrnehmung positiver oder negativer versus neutraler Information effektiver erfasst werden. Sie wurde anhand der Differenz der durchschnittlichen Reaktionszeit auf negative oder positive und neutrale Motive ermittelt. Die 16 Probanden der LL-Gruppe brachten Fotos mit einer positiven Aussage signifikant mehr Aufmerksamkeit entgegen: Sie reagierten darauf 23,5 Millisekunden früher als auf neutrale. Negatives Bildmaterial mieden sie dagegen: Es wurde 18,3 Millisekunden später wahrgenommen als die neutralen Motive. Gegensätzlich, wenn auch nicht so ausgeprägt, war es in der SL- und SS-Gruppe. Bei diesen Probanden fanden Motive mit negativer Botschaft eine größere Beachtung als jene mit positiver.
Die Ergebnisse der Studie deuten nach Ansicht der britischen Wissenschaftler darauf hin, dass die Fähigkeit, das Gute im Leben zu sehen, ein »kognitiver Kernmechanismus« sei. Er bestimmt mit darüber, wie widerstandsfähig ein Mensch gegen Stress und emotionale Belastungen ist. Damit auch, wie gesund: Die Tendenz, negativen Ereignissen nicht so viel Beachtung zu schenken, korreliert mit Wohlbefinden und mentaler Gesundheit. Wer seine Aufmerksamkeit hingegen besonders auf negative Dinge richtet, ist psychisch labiler.
Es sind nicht nur die Gene
Lebenseinstellung und psychische Belastbarkeit werden laut Prof. Fox jedoch keineswegs nur von den Genen bestimmt. Wessen 5-HTTLPR nur ein oder gar kein langes Allel hat, ist nicht zwangsläufig pessimistischer eingestellt. Denn neben genetischen sind zu über 50 Prozent andere Faktoren daran beteiligt, wie wir die Welt sehen. Dazu gehören allen voran individuelle Lebenserfahrung, Erziehung sowie soziales Umfeld, so Prof. Fox. Dennoch, die Befunde aus Essex eröffnen neue und wichtige Einsichten in die neurobiologischen Mechanismen hinter der Auffassung, ob das berühmte Glas Wasser halb voll oder halb leer ist...