Notfall oder kein Notfall? Ab April 2017 ist das die einzige Frage, die Ärzte in den Notfallambulanzen noch interessieren soll. Weniger akute Fälle werden dann zukünftig an Ort und Stelle abgewiesen. Dies soll in erster Linie die regelmäßige Überfüllung der Notfallzentren abbauen helfen.
Richtig ist: Notfallambulanzen in Deutschland sind häufig überfüllt. Richtig ist auch, dass die Ärzte meist die echten Notfälle unter den Wartenden suchen müssen. Nicht jeder, der die Ambulanz aufsucht, ist demnach auch ein Notfall. Ab April 2017 wird dies konkrete Folgen für alle Patienten haben. Denn ob ein Wartender ein Notfallpatient ist, wird zukünftig innerhalb von nur zwei Minuten entschieden werden. Der Marburger Bund kritisiert dieses Vorgehen bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung: „Grundsätzlich ist es mit dem Berufsethos des Arztes nicht vereinbar, Menschen, die ärztliche Hilfe suchen, derart abzuweisen.“
Den Ausschlag für diese Entwicklung gibt die Neuregelung des Notdiensthonorars, die zum 1. April 2017 in Kraft tritt. Der Beschluss basiert im Wesentlichen auf der gesetzlichen Vorgabe, die Notfälle und damit auch die Leistungen nach dem Schweregrad zu differenzieren. Ab 1. April muss ein Arzt in der Notaufnahme entscheiden, wer ein Notfall ist und wer nicht. Weniger dringende Fälle werden an einen niedergelassenen Arzt weiterverwiesen. Kliniken erhalten für dieses erste „Notfall-Screening“ pro Patient eine sogenannte Abklärungspauschale in Höhe von 4,74 €. „Eine solche Zwei-Minuten-Medizin ist lebensgefährlich“, so der Marburger Bund zu den kommenden Maßgaben im Notdienst. Es besteht dadurch die Gefahr, dass es zu Fehleinschätzungen und überhasteten Entscheidungen komme. Die Folgen für die Patienten könnten im Einzelfall dann verheerend sein.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein sieht das Ganze indes etwas differenzierter und keinesfalls so schwarz. Aus ihrer Sicht sei die Neuregelung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auf diese Weise ließe sich erreichen, dass die Arbeit der Notfallambulanzen weiter differenziert werden könne. Das letztliche Ziel ist aus Sicht der KV, die Zusammenarbeit zwischen Ambulanzen, Rettungsdiensten und niedergelassenen Ärzte zu stärken, zu intensivieren, aber vor allem eine für alle Seiten klare Zuständigkeit abzuleiten. Ein höheres Risiko für mehr Fehleinschätzungen sieht die KV Nordrhein ebensowenig. Die Pauschale sei ja ohnehin nur bei wirklichen Bagatellfällen abzurechnen, z. B. dann, wenn der lästige Schnupfen einen Patienten am Sonntag in die Notfallambulanz treibt, weil der Hausarzt erst am Montag wieder öffnet. Alle anderen Patienten werden jedoch je nach Einschätzung des Arztes genauso wie bisher eingehend untersucht, um wirkliche Notfälle sicher ausschließen zu können. Quelle: Notfall oder nicht? Ärzte sollen in zwei Minuten entscheiden. WDR aktuell; Stand: 21.03.2017