Gonokokken erleben derzeit einen fulminanten Anstieg bei Resistenzen gegen Antibiotika. Die Resistenzrate gegen den Wirkstoff Fluorchinolon versiebenfachte sich innerhalb von fünf Jahren. Jetzt melden kanadische Behörden alarmierende Fälle. Gerät der Tripper wieder in Mode?
Das Wahrzeichen der Stadt könnte größer nicht sein, mehr als einen halben Kilometer ragt der CN-Tower in Toronto in den Himmel. Weitaus winziger, aber nicht minder imposant ist eine andere Besonderheit der größten kanadischen Stadt in Ontario: der bisweilen als gebändigt gezählte Erreger des „Tripper“, Neisseria gonorrhoeae, erfreut sich eines fulminanten Comebacks. In noch nie dagewesener Geschwindigkeit und ohne Anzeichen einer Verlangsamung breiten sich ausgerechnet jene Stämme des Bakteriums aus, gegen die viele Ärzte nicht nur in Kanada über Jahre hinweg Antibiotika aus der Klasse der Chinolone einsetzten. So schnellte die Resistenzrate gegen den Wirkstoff Fluorchinolon von vier Prozent im Jahr 2001 auf 28 Prozent in 2006 hoch, wie die Februar-Ausgabe des CMAJ eindrucksvoll attestiert.
Tatsächlich sind die Ergebnisse einer am renommierten Toronto Hospital for Sick Children durchgeführten Studie vor allem aus einem Grund beängstigend: Die Multi-Kulti Metropole gilt nicht nur als globales Einfalltor nach Kanada, auch bietet die Millionenstadt unzähligen Globetrottern und Geschäftstouristen aus anderen Ländern alles in Punkto Kultur, Musik und last not least - ungeschützten Geschlechtsverkehr. Genau der entpuppt sich trotz Aids und damit verbundener Aufklärungskampagnen zunehmend als Problem Nr. 1 auf dem amerikanischen Kontinent, wie die Publikation von Susan Richardson vom „Sick Kids“, wie das Hospital an der die Ärztin arbeitet noch genannt wird, jetzt offenbart. Und: Heterosexuelle Männer scheinen mit Vorliebe für's gummifreie Liebesleben dem Bazillus zum unerwünschten Siegeszug zu verhelfen.
Auch Asien hat es erwischt
An Richardsons Daten zu zweifeln wäre unangebracht. Die Medizinerin nutzte nämlich epidemiologische Aufzeichnungen des Public Health Laboratory an der staatlichen Ontario Agency for Health Protection and Promotion (OAHPP) in Toronto. Auch das National Microbiology Laboratory (NML) in Winnipeg, eine ebenfalls als unabhängig geltende Einrichtung, diente der Datenlieferung. Dass öffentliche Institutionen die Basis für Richardsons Studie bilden, ist aus einem ganz sensiblen Grund wichtig: Unzählige Studien werden von großen Pharmaunternehmen finanziert, um die eigenen Medikamente gegenüber den Wettbewerbern besser darzustellen. Dass jetzt eine ganze Wirkstoffklasse bei Verdacht auf Tripper nicht mehr eingesetzt werden soll, trifft womöglich den einen oder anderen Hersteller – bietet aber Ärzten die Möglichkeit, vernünftig auf die neue Bedrohung zu reagieren.
So gelten in Kanada bereits seit 2006 Leitlinien, wonach Wirkstoffe wie Ciprofloxacin oder Ofloxacin auf Grund der beobachteten Resistenzen bei sexuell übertragbaren Erkrankungen nicht mehr eingesetzt werden sollen. Laut John Tapsall vom Centre for Sexually Transmitted Diseases im australischen Sidney, das auch mit der WHO zusammenarbeitet, tauchten auch bei Cefixim und Cetriaxon ähnliche Probleme in Japan und Hong Kong auf.
Kondome statt Gummifrei
Daher raten kanadische Behörden Ärzten vor der Antibiotikatherapie jetzt zum Resistenztest. Doch herauszufinden, auf welches Mittel die Erreger überhaupt ansprechen, scheitert in der Praxis oft am Zeitaufwand – bis zu vier Tage können vergehen, bevor der Arzt weiß, wogegen die Erreger seines Patienten eben nicht resistent sind. Den besten Schutz gegen den Tripper bieten letztendlich Kondome, wie Richardson resümiert. Erstmal aufgeklärt, stehen die Chancen auf eine Besserung der Lage gar nicht so schlecht.